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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Erdenkliche, doch jetzt, als sie Adas gelassene Miene sah, war sie im stillen beinahe darauf gefaßt, daß Ada ihre Handtasche öffnete und das Geld auf den Tisch legte oder es sich bei der Bank von England lieh.
    Mrs. Harris war sich darüber klar, daß noch ein Berg von Schwierigkeiten vor ihr lag. Sie zwang sich zu einem Lachen und sagte: «Nun denk doch mal ein bißchen nach, Violet Butterfield. Vielleicht stimmt ee ja, daß ein paar von diesen großen Tieren sich gelegentlich um die Ecke bringen, aber wer sollte ein Interesse daran haben, unsereinem Schwierigkeiten zu machen?»
    «Glaub das bloß nicht, Ada Harris», konterte Mrs. Butterfield. «Das macht für diese Iwans keinen Unterschied. So wie du dich immer aufführst und deine Nase in alles steckst... und deine scharfe Zunge... da sitzt du in Null Komma nichts in einem von diesen unterirdischen Gefängnissen — schneller, als du piep sagen kannst.»
    «Quatsch», sagte Mrs. Harris in spöttischem Ton. «Du hast ‘ne Meise. Wem habe ich schon jemals Ärger gemacht? Und etwas Schlimmeres, als vielleicht mal im Bus schwarzzufahren, habe ich auch niemals getan. Aber wenn der Schaffner nicht aufpaßt, geschieht’ s ihm ganz recht. Meinst du denn, in Moskau hätten die Leute schon mal was von Ada Harris gehört, hä?»

    Wenn es in London sechs Uhr abends ist, ist es in Moskau acht. Vielleicht tauchte Mrs. Harris’ Name nicht im selben Augenblick, als sie ihre rhetorische Frage stellte, in jener fernen Stadt auf, aber auftauchen tat er, und zwar in einem Dossier, das auf dem Schreibtisch von Waslaw Wornow lag, einem gewissenhaften Beamten des KGB, der politischen Geheimpolizei. Für Wornow nahm das KGB die Stelle der orthodoxen Kirche ein, und er diente ihm mit nie erlahmendem Arbeitseifer, denn selbst lange nach Dienstschluß saß er noch immer an seinem Schreibtisch und arbeitete sich durch einen Stoß von Zeitungsausschnitten hindurch, die der Presse der kapitalistischen Metropolen entstammten. Genosse Wornows Aufgabe bestand darin, Hinweise auf das taktische Vorgehen der Feinde der Sowjetunion aufzuspüren, sie aktenmäßig dingfest zu machen und, falls sie Mütterchen Rußlands Grenzen überschreiten sollten, jeden ihrer Schritte zu überwachen.
    Unter den letzten Blättern, die er in die Hand nahm, befand sich der Ausschnitt aus einer englischen Zeitung mit der Notiz, auf die Mrs. Butterfield vor ein paar Wochen Mrs. Harris aufmerksam gemacht hatte: die Meldung, daß der französische Botschafter in den Vereinigten Staaten, Marquis Hypolite de Chassagne, abgelöst werde und künftig als Chefberater für Auswertige Angelegenheiten am Quai d’Orsay tätig sei.
    Genosse Wornow las die Notiz, dann drückte er auf einen Knopf und befahl einem jüngerem Beamten, ihm die Akte über den Marquis zu bringen, der ein zu großer Fisch war, als daß man die über ihn vorhandenen Angaben lediglich in einem Computer gespeichert hätte. Unter Feinde der Sowjetunion gab es im Spezialarchiv bestimmt ein umfassendes Dossier über ihn.
    Als die Akte vor ihm lag, las er sie aufmerksam von A bis Z durch: wann und wo der Marquis geboren war und welche Erziehung er genossen hatte, welche politischen Ansichten er vertrat, wer seine Freunde und Bekannten waren und wie er im diplomatischen Dienst Karriere gemacht hatte. Ganz zuletzt war die lange Liste seiner dem Wohlergehen der Sowjetunion und ihrer Führung abträglichen Aktivitäten aufgeführt.
    Ein so umfassendes Dossier über einen gegnerischen Staatsbürger konnte nur vom KGB mit seinem ausgedehnten Informationsnetz zusammengetragen werden; es enthielt praktisch alle Personen, mit denen der Marquis je in Berührung gekommen war.
    Nun, da er bald wieder einen Machtfaktor in der französischen Außenpolitik darstellte, war es so gut wie sicher, daß er demnächst erneut energisch die Stimme erheben und gegen den sowjetischen Plan einer Entspannung protestieren würde, mit der der Westen in Sicherheit gewiegt werden sollte. Der Genosse Inspektor ging die Liste der Namen sorgfältig durch. Viele davon waren ihm geläufig, andere hatte er noch nie gehört; sie standen am Ende der Liste, was bedeutete, daß man den Trägern dieser Namen kein größeres Gewicht beimaß. Sein Blick fiel auch auf den Namen Ada Harris, wohnhaft Willis Gardens Nr. 5, Battersea, London SW1. Einzelheiten über das Warum und Wieso ihrer Beziehung zu Hypolite de Chassagne waren nicht erwähnt, also las der Inspektor weiter und notierte sich dabei die

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