Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
erstehen konnte und wo etwa jedes fünfzigste Los einen kleinen Gewinn brachte, noch die Große Lotterie mit Losen zu einem Pfund, aber dafür waren auch geradezu atemberaubende Preise zu gewinnen.
Die Gewerkschaft, äußerst geschickt in der Handhabung des heute üblichen sanften Zwangs, hatte dieses Mal mit außergewöhnlichem Erfolg bei den verschiedenen, an der reibungslosen Säuberung ihrer Büroräume interessierten Firmen lockergemacht. Die Gesamtausbeute stellte ein höchst verlockendes Angebot dar. Der Hauptgewinn war ein rotbrauner Kleinwagen, der auf einem rotierenden Sockel stand, daneben hing eine Liste mit weiteren Kostbarkeiten, von denen viele hinter einer Seilabsperrung zu besichtigen waren: riesige Kühlschränke, elektrische Heizöfen, Waschmaschinen, Gutscheine für Pauschalreisen in ferne Gefilde (die immer für zwei Personen galten), Hi-Fi- und Stereo-Apparate, ganze Möbelgarnituren, Teppiche, teure Kameras und dergleichen.
Doch Mrs. Harris hatte für nichts ein Auge, weder für die erwähnte Liste noch für das sich drehende Automobil oder die anderen Gewinne, denn da stand er: ihr Fernsehapparat.
Oh, wie war er schön! In einem glänzend polierten, mit Schnitzereien verzierten Mahagonigehäuse, dessen Türen weit offen standen, pirouettierten und sprangen auf dem riesigen Bildschirm zwei Balletttänzer in bunten Kostümen durch die Luft. Jede Schattierung des Regenbogens kam zur Geltung, und die Musik aus dem Lautsprecher klang makellos.
Während Mrs. Butterfield zur Tombola schlenderte, stand Mrs. Harris wie angewurzelt da. Ein Pfund war für sie viel Geld; dafür mußte sie zwei Stunden auf den Knien herumrutschen und hart arbeiten. Doch was hieß das schon angesichts dieses Apparats, dieser Schatztruhe? Trotzdem zögerte sie und wartete noch ab, so als wolle sie auf keinen Fall einer ihrer berühmten Vorahnungen zuvorkommen, die sie gelegentlich überfielen und von ihr als Botschaften ihrer persönlichen Gottheit betrachtet wurden, die irgendwo oberhalb des Himmelsgewölbes in ihrem Büro saß und zu deren Aufgabe es gehörte, sich mit ihren, Adas, Angelegenheiten zu befassen. Im Rückblick hatte diese Gottheit sich eigentlich recht gut bewährt. Bis jetzt.
Und wie sie so wartete, vernahm sie plötzlich eine Stimme, die ihr laut und deutlich befahl: Sie holte eine Pfundnote aus ihrer Börse, reichte sie dem hübschen jungen Mädchen, das die Glücksmöglichkeit feilbot, und bekam dafür ein weißes Kärtchen, auf dem zu lesen stand: Große, alljährlich stattfindende Lotterie des Wohltätigkeitskomitees des Gewerkschaftsverbandes, Nr. 49876 FH. Ada schrieb gerade Namen und Anschrift auf den Kontrollabschnitt, als Mrs. Butterfield triumphierend mit einer Flasche billigen Sektes zurückkam. «Sieh mal, was ich gewonnen habe», jubelte sie. «Für fünf Pence! Ohne weiteres hätte ich auch einen automatischen Toaster gewinnen können, stand gleich daneben.»
«Was ist das schon», sagte Mrs. Harris und schwenkte ihr soeben erstandenes Los. «Ich halte hier meinen Fernseher in der Hand.»
Violet machte ein verwirrtes Gesicht, und das hübsche junge Mädchen lächelte mitfühlend.
«Na ja, ich meine, ich werde ihn in der Hand halten», sagte Ada erklärend.
Mrs. Butterfields gesamter Pessimismus meldete sich zu Worte. «Aber Ada Harris, ein Pfund! Du weißt doch, daß du dafür kein Geld hast. Das ist wirklich die Höhe! Wie kommst du denn bloß auf den Gedanken, du würdest ihn gewinnen? In ganz London werden Tausende von diesen Losen verkauft, nicht nur hier. Wie willst du da Glück haben?»
Mrs. Harris’ Augen, die hinter den runden Apfelbäckchen fast verschwanden, sprühten vor Mutwillen, als sie antwortete: «Ich hatte eine Vorahnung. Du kennst das doch bei mir. Es kann nicht schiefgehen. Der Fernseher steht schon so gut wie in meinem Wohnzimmer. Hier, sieh», und sie hielt Mrs. Butterfield das Los hin, aus dem hervorging, daß die Ziehung in drei Wochen stattfand und daß es die Nr. 49876 FH trug. «Und willst du wissen, was FH bedeutet? F steht für Fernseher und H für Harris. Komm, ich spendier dir ein Glas an der Bar. Das muß doch gefeiert werden, Vi.»
Mrs. Butterfield nahm ein Ingwerbier, während Ada sich an einem Glas Portwein mit Zitrone, ihrem Lieblingsgetränk, gütlich tat. Sie hob ihr Glas und sagte: «Auf meinen neuen Fernseher.»
So war sie dreieinhalb Wochen später nicht allzu überrascht, als sie beim Nachhausekommen einen
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