Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
nach dem Stempel, um ihn auf die Anträge zu drücken, als etwas ihn zögern ließ. Irgend etwas in seinem Kopf wollte keine Ruhe geben. Er spürte förmlich, wie sein Gedächtnis sich abmühte, ihn auf etwas aufmerksam zu machen, aber worauf? Auf einen Namen? Einen Beruf? Moment mal. Er saß ganz still da, dachte an nichts und öffnete sich innerlich dem, was sich da zu Worte melden wollte. Plötzlich trompetete der Elefant. Er hatte es! Es war ein Name: Mrs. Ada Harris. Stand dieser Name nicht in Zusammenhang mit dem des Marquis Hypolite de Chassagne, dem bekannten Erzfeind des russischen Volkes? Ja, das war’s, und hier auf dem Antrag stand der Name Ada Harris und der ihrer Reisebegleiterin Violet Butterfield. Er nahm den Telefonhörer ab, ließ sich mit der Computer-Abteilung verbinden, nannte die beiden Namen und sagte: «Prüfen Sie, ob etwas vorliegt, und rufen Sie mich sofort an, sobald Sie das Ergebnis wissen.»
In der Computer-Abteilung kam man seinem Wunsch umgehend nach. Das Ungetüm machte sich an die Arbeit, Lämpchen leuchteten auf, es rasselte, und Sekunden später spie der Apparat eine Fülle von Informationen aus, die den Genossen Wornow, nachdem sie auf seinem Schreibtisch gelandet und von ihm durchgesehen worden waren, Zutiefst befriedigten. Er hatte das Gefühl, sowohl Mütterchen Rußland als auch seiner eigenen Karriere dadurch einen entscheidenden Dienst geleistet zu haben, daß es ihm gelungen war, ein weiteres kapitalistisches Spionagekomplott aufzudecken. Er griff nach Kugelschreiber und Papier und verfaßte folgendes Memorandum:
An den Genossen Oberst Gregor Michailowitsch Dugliew, Leiter der Abteilung für Abwehr Ausländischer Spionage und für Innere Sicherheit.
Lieber Genosse Dugliew,
ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß es mir gelungen ist, ein von britischer Seite inszeniertes Komplott aufzudecken, das zum Ziel hatte, als Touristen getarnte Spione in die Sowjetunion einzuschleusen, und zwar als ganz normale Mitglieder einer Reisegruppe, die am Sonntag, dem 26. August, aus London kommend in Moskau eintrifft. Nach den von unserem Computer gelieferten Daten hat eine Frau namens Ada Harris jahrelang Kurierdienste geleistet für eine Reihe von notorischen Gegnern der Sowjetunion, deren Dossiers ich Ihnen gesondert zusende. Es handelt sich um folgende Personen: Marquis Hypolite de Chassagne, über dessen antisowjetische Umtriebe Sie seit längerem informiert sind, Colonel Wallace, der als Captain Wallace ein Jahr als Militärattache an der Britischen Botschaft in Moskau tätig war; die Familie Wyscinsky, berüchtigte polnische Emigranten, die seit vielen Jahren unablässig bemüht sind, die Revolution zu unterminieren; Joel Schreiber, ein amerikanischer Filmregisseur, der sich auf sowjetische Streifen spezialisiert hat; Sir Wilmot Corrison und Sir Oswald Dent. Sir Wilmot hatte bei der Ausweisung von rund hundert, gänzlich schuldlosen russischen Diplomaten aus London die Hand im Spiel, während es auf Sir Oswald Dents Konto geht, daß ein für uns sehr vorteilhaftes Handelsabkommen nicht zustande kam.
Mrs. Harris hat mit den erwähnten Personen jahrelang in Verbindung gestanden. Als Tarnung hat sie sich den Beruf einer Raumpflegerin zugelegt, die im kapitalistischen Westen gebräuchliche Bezeichnung für eine Reinmachefrau. Dieser Trick ermöglichte es ihr, ihre verschiedenen Kontakte aufrechtzuerhalten. Wir wissen, daß sie 1958 in Paris war, um mit Chassagne zusammenzutreffen, und 1960 zusammen mit dem antisowjetischen Filmregisseur Schreiber nach New York gefahren ist und anschließend im Zusammenhang mit antisowjetischen Aktivitäten ganz Amerika bereist hat. Im Jahre 1965wurde sie, als Anerkennung für die ihrem Land geleisteten Dienste, ins Parlament berufen, doch offenbar hat sie dieses Amt auf Befehl des Secret Service wieder niedergelegt, um weitere Aufgaben für den britischen Geheimdienst übernehmen zu können, und stets hat sie so getan, als sei der Job einer Reinmache- oder Putzfrau ihr Beruf. Und diese Bezeichnung hat sie auch in der entsprechenden Spalte ihres Visumantrags angegeben, wie Sie aus der beigefügten Fotokopie ersehen mögen.
Über ihre Reisebegleiterin, Mrs. Violet Butterfield, ist nichts bekannt; man muß annehmen, daß unsere Agenten in London äußerst nachlässig gearbeitet haben, da ihnen die Tätigkeit dieser fraglos gefährlichen Person entgangen ist. Allein die Tatsache, daß sie ihre Arbeit durchzuführen vermochte, ohne daß unsere
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