Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
weit vorspringenden Nase. Das hervorstechendste an Mr. Rubin aber waren seine ansteckende Fröhlichkeit, seine gute Laune und ein fast kindlicher Drang zu gefallen. Rubin wirkte beruhigend auf Ada; es tat ihr nachher immer leid, wenn ihr Temperament mit ihr durchgegangen war. Die Sonne war schon lange unter den Horizont gesunken, was hieß, daß man ruhig einen Drink nehmen durfte. Überdies hatte Ada das bestimmte Gefühl, Rubin wisse Näheres über diese Papierkalamität, und so sagte sie: «Das ist überaus freundlich von Ihnen, Sir. Mein Name ist Harris, Ada Harris, und das ist meine Freundin Violet Butterfield. Wenn es keine Umstände macht...»
«Aber nein, meine Damen, im Gegenteil. Ein unerwartetes Vergnügen.» Er öffnete die Tür nun ganz, und es erwies sich, daß der Kopf zu einem flinken, zierlichen Körper gehörte, der höchst adrett nach der letzten Savile Row-Mode gekleidet war. Als er die Freundinnen mit einer schwungvollen, halb theatralisch-pompösen, halb charmant-verführerischen Handbewegung einzutreten bat, schlug er zwar die Hacken nicht zusammen, doch es hätte niemanden gewundert, wenn er es getan hätte.
Mrs. Bärbeiß’ mißtönende Stimme ließ sich vernehmen: «Damenbesuch bei Herren nicht gestattet.»
Adas Zorn flammte erneut auf. «Ach, hören Sie doch auf», sagte sie. «In unserem Alter... was soll da schon passieren? Der Herr hat uns zu einem Drink eingeladen und damit basta!»
«Genau», sagte Rubin, und seine Willkommensgesten hätten einem Tanzmeister alle Ehre gemacht. «Achten Sie nicht auf sie. Die ist neu hier. Ich weiß nicht, was mit Annie ist, die sonst immer hier saß. Die war eigentlich ganz in Ordnung und drückte auch mal ein Auge zu. Wahrscheinlich hat sie ihren freien Tag. Kommen Sie, treten Sie näher.»
Die Freundinnen rauschten hinein; Mrs. Bärbeiß starrte ihnen feindselig nach, und kaum hatte die Tür sich hinter den dreien geschlossen, als sie auch schon nach dem Telefonhörer griff und die Nummer des Vorgesetzten wählte, von dem sie ihre Anweisungen erhielt.
«Pawel? Hier ist Taschka.»
«Ja? Was ist?»
«Sie haben Kontakt aufgenommen.»
«Mit wem?»
«Mit dem Juden auf 701, Rubin. Sie sind zu ihm aufs Zimmer gegangen.»
«Soso!» Pawels Stimme war unüberhörbar sarkastisch. «Direkt vor Ihrer Nase? Und Sie haben nicht versucht, sie daran zu hindern?»
«Ich habe nicht den Auftrag, Gewalt anzuwenden, Genosse.»
«Das stimmt. Außerdem lautet die Order, im Falle des Ausländers Rubin äußerst behutsam vorzugehen. Es ist eine heikle Angelegenheit. Zwei Ministerien sind in die Sache verwickelt.»
Die dicke Frau stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, da es ihr offenbar gelungen war, sich aus dieser gravierenden Sache herauszuhalten. Sie sagte: «Dann ist es vielleicht nur gut so, denn jetzt können Sie ja die Gespräche abhören, die da geführt werden und die bestimmt Ziel und Zweck dieser Kontaktaufnahme verraten.»
Nach einer auffallend langen Pause hörte man am anderen Ende der Leitung erst ein Räuspern und dann die Worte: «Da hat es vorübergehend Schwierigkeiten gegeben. Die notwendigen Reparaturen konnten noch nicht ausgeführt werden. Die dafür zuständige Abteilung hat sich noch nie kooperativ verhalten. Installationen — ja. Reparaturen — nein. Kein Interesse.»
Er ließ ein saftiges russisches Schimpfwort folgen und fragte anschließend: «Wo ist die Fremdenführerin Praxewna Ljeljeschka?»
«Ich weiß nicht.»
«Finden Sie sie. Sie muß sich den beiden wieder an die Fersen heften.»
«Boris und Annuschka sind hier oben auf der Etage. Boris hat ein Abhörgerät. Soll er es an der Tür anbringen?» Boris war der KGB-Mann, der sich in dem Raum aufhielt, hinter dessen Tür das Zimmermädchen verschwunden war; man hörte, wie die Stimme am anderen Ende ihr heftige Vorwürfe machte.
Pawel sagte scharf: «Das sind Dummheiten, Taschka. Ich habe Ihnen doch gesagt, daß der Fall Rubin äußerst heikel ist. Finden Sie Praxewna Ljeljeschka und sorgen Sie dafür, daß die beiden Frauen Rubins Zimmer verlassen.» Es folgte ein weiterer kräftiger Fluch, dann wurde der Hörer auf der anderen Seite eingehängt.
In der Abgeschlossenheit des Zimmers 701, das sich im gleichen Zustand abblätternder viktorianischer Pracht befand, wie das von Violet und Ada, sagte Mr. Rubin, ein Glas und eine Flasche Gordon’s Gin in den Händen haltend: «Wie wünschen Sie Ihren Drink?»
«Mit einem Schuß Wasser, bitte», erwiderte Mrs. Harris,
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