Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
Fabrik, wo die Leute ihr eigenes Toilettenpapier produzierten, und zwar in so großen Mengen, daß alle russischen Großstädte damit versorgt werden konnten. Na schön, dem Kerl, der den Laden schmiß, war von diesen Typen auf dem Versorgungsamt eine große Papierlieferung zugeteilt worden, nur — er bekam sie nie.»
«Und warum nicht?»
«Weil der Bursche vom Grußkartensyndikat sich in der betreffenden Behörde jemanden gekrallt hat und die Lieferung an seine eigene Fabrik umleiten ließ. Jetzt haben sie also mehrere Milliarden Grußkarten, aber kein Klopapier. Doch wer braucht schon Grußkarten, wenn er...»
«Ich glaube, wir müssen jetzt gehen», unterbrach ihn Mrs. Butterfield, «unsere Fremdenführerin hat gesagt, sie würde uns zum Essen abholen.»
«Dann aber vorher noch ein kleines Gläschen», sagte Mr. Rubin, «aller guten Dinge sind drei.» Sein Gesicht war ziemlich gerötet; zwar hatte er seinen Gästen nicht mehr als üblich eingeschenkt, sich selbst jedoch jedesmal ein halbes Wasserglas voll. Nachdem er nachgefüllt hatte, hob er sein Glas und sagte: «Prost, Papier!» und nahm einen kräftigen Schluck.
Das Wort Papier schien bei dem kleinen Mann irgendwelche Schleusen zu öffnen, was Mrs. Butterfields Ängste und innere Unruhe erheblich steigerte. Die Pupillen hinter den dicken Brillengläsern vergrößerten sich, und es sah aus, als sträube sich plötzlich sein Schnurrbart.
«Papier!» brüllte er. «Blödes, idiotisches, gottverdammtes Papier! Es gibt nicht genug davon. Jeder braucht Papier! Man kann es nicht kaufen, es ist nicht aufzutreiben, und bald wird’s nicht mehr genug Bäume mehr geben, um es herzustellen. Wissen Sie, was der Express und der Evening Standard und wie die Zeitungen alle heißen, die jeden Tag gelesen und dann weggeworfen werden, an Papier verbrauchen? Zwei Millionen Tonnen! Wo sollen die denn auf die Dauer herkommen? Telefonisch und telegrafisch fragen die Kunden bei uns an, sie alle wollen Papier, Papier und nichts als Papier. Wissen Sie, wie viele Millionen Menschen, die vorher nie einen Brief geschrieben haben, man gelehrt hat, Briefe zu schreiben, sie in Umschläge zu tun und zu frankieren? Und wissen Sie, worauf sie schreiben? Auf Papier! Und woraus sind die Umschläge und die Marken? Aus Papier!»
Inzwischen standen ihm die Haare zu Berge, und er ließ sich nun gänzlich von seinem Thema fortreißen: «Einwickelpapier! Butterbrotpapier! Tapeten! Taschentücher! Papierhandtücher! Kein Mensch schneuzt sich noch in ein solides, altmodisches Taschentuch. Nein, es muß in Papier geschneuzt werden, das die armen Bäume zu liefern haben. Ich sage Ihnen, es ist kein Ende abzusehen! Löschpapier! Schrankpapier! Papierservietten, Tassen und Teller aus Papier, Postkarten, Formulare, Kalender, Stimmzettel, Flugzettel, Wurfsendungen, Plakate! Papierhüte und Papierschlangen für Silvester!»
Plötzlich schien Mr. Rubin entweder der Atem auszugehen oder ihm fiel nichts weiter ein, wozu Papier gebraucht wurde; zusammengesunken saß er da, umklammerte jedoch nach wie vor sein Glas und starrte seine Gäste so finster an, daß Mrs. Butterfields Ängste erneut aufflammten und selbst Mrs. Harris ein wenig beunruhigt war. Bei ihr war es mehr der plötzliche Umschwung in seinem Gebaren, obwohl ihr noch kein Betrunkener untergekommen war, mit dem sie nicht fertig geworden wäre. Rubin holte tief Luft und stärkte sich mit einem weiteren großen Schluck Gin. «Wissen Sie, wozu es kommen wird?» brüllte er. «In ein paar Jahren wird’s überhaupt kein Papier mehr geben. Kein einziges Fitzelchen. Und was wird der arme Sol Rubin dann machen? Ich habe mir schon alles genau überlegt. Tonerde wird es immer geben, jede Menge. Für Keramik und Prozellan.» Er legte eine kleine Pause ein, um seinem Geheimrezept für künftige Erfolgsaussichten mehr Nachruck zu verleihen. «Bidets! Keiner wird sich mehr ohne behelfen wollen.»
«Bidets?» fragte Mrs. Butterfield verwirrt, doch Mrs. Harris, die sich in Adelskreisen bewegte, sagte: «Ich weiß. Wie bei Lady Dent.»
An der Tür ertönte ein lautes, hartes Klopfen. Ohne daß jemand «Herein» gerufen hätte, öffnete sie sich. In der Türöffnung stand Praxewna Ljeljeschka, hinter ihr saß Mrs. Bärbeiß drohend an ihrem Tisch. Der Anblick war alles andere als erfreulich.
Die Intourist-Führerin sagte: «Aha, hier Sie stecken. Ich nicht sagte, Sie sollen auf Zimmer bleiben, bis ich Sie holen?»
Mrs. Harris war nicht beschwipst, sie
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