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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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schon verstehen.
    Das Zimmermädchen warf einen Blick auf die Papprolle und sagte: «Njet.»
    «Komm, Vi», sagte Ada, «vielleicht spricht Mrs. Bärbeiß ja Englisch. Versuchen wir es mal.»
    Als sie den Entschluß in die Tat umsetzen und das Zimmer verlassen wollten, schüttelte das Zimmermädchen wiederholt aufgeregt den Kopf, fuchtelte mit den Armen und versuchte sogar, die beiden Frauen zurückzuschubsen. Mrs. Harris’ Zorn erreichte jäh den Siedepunkt. «Na, na, was fällt Ihnen denn ein? Sind wir hier im Gefängnis? Hände weg, verstanden? Verschwinden Sie, sonst passiert was.»
    Violets Massen halfen mit, das Mädchen beiseite zu schieben. Sie brach in Tränen aus, rannte den Gang hinunter und verschwand hinter einer Tür.
    Mrs. Harris sah ihr nach und fragte: «Was ist denn in die gefahren? Komische Leute, diese Russen. Eines steht jedenfalls fest: Als Zimmermädchen taugt sie nichts, so wie das Zimmer aussieht.» Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, daß Violet und sie heimlich überwacht wurden und daß hinter jener Tür, hinter der das Mädchen verschwunden war und die in den Raum der Angestellten führte, ein KGB-Mann saß, der sofort seine Vorgesetzten in den Zentrale davon unterrichtete, daß die Gäste von Zimmer 734 ihre Räumlichkeit verlassen hatten.
    Besagte Gäste marschierten nun den Gang hinunter zu dem Tisch, an dem die Spinne — für Ada nur noch Mrs. Bärbeiß — stumpf und schweigend hockte. Nur das Glitzern ihrer Augen zeigte an, daß Leben in ihr war.
    Mrs. Harris, durch den Zwischenfall mit dem Zimmermädchen in Harnisch gebracht, sagte: «Sprechen Sie Englisch?»
    Mrs. Bärbeiß gab keine Antwort, sondern saß unbeweglich auf ihrem Stuhl und sah die beiden an. Nur ihr verkniffener Mund zuckte ein wenig.
    «Klopapier», sagte Mrs. Harris und hielt ihr die Papprolle hin, «wir brauchen Klopapier. Verstehen Sie? Hier, das da. Was es in jedem halbwegs gutgeführten Hotel gibt.»
    Mrs. Bärbeiß’ Mund öffnete sich zum Sprechen. Er entließ ein einziges abschließendes Wort: «Nix.»
    Verächtliche Unhöflichkeit war nicht geeignet, Adas Zorn zu beschwichtigen. «Was soll das heißen, nix? Sie haben also keines?»
    Mrs. Bärbeiß sagte: «Gibt keins mehr», worauf sie wieder in Russisch überging. «Njet bumagi.»
    Doch so leicht ließ Mrs. Harris sich nicht abwimmeln. «Gibt keins mehr. Wo gibt’s keins mehr? Hier im Hotel? Warum zum Kuckuck schicken Sie dann nicht jemand welches besorgen? Unser Zimmer hat ‘ne Stange Geld gekostet.»
    Mrs. Bärbeiß wiederholte noch einmal auf englisch: «Gibt keins mehr. Gehen Sie.»
    Nun war Mrs. Harris nicht mehr zu halten, sie tobte los: «Gehen Sie! Da hört sich ja alles auf. Was sind denn das für Manieren? Wir sind Ausländer, Touristen. Gibt keins mehr! Wo nicht? In ganz Moskau nicht? Vielleicht in ganz Rußland nicht? Holen Sie mir den Direktor.»
    Wie so oft, wenn jemand sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, wurde das Gewünschte, falls er es nicht auf der Stelle bekam, das wichtigste auf der Welt — wie jetzt zum Beispiel die Rolle Toilettenpapier für Mrs. Harris, und nichts und niemand konnte sie bremsen.
    Mrs. Bärbeiß schüttelte den Kopf, ihre Spinnenaugen glitzerten, und sie sagte: «Njet Direktor.»
    «Ach, was Sie nicht sagen», schrie Mrs. Harris, nun völlig außer sich. «Sie holen mir jetzt den Direktor oder Sie können was erleben.»
    In diesem Augenblick geschah etwas völlig Unerwartetes. Die Tür von Zimmer 701 — genau gegenüber von Mrs. Bärbeiß’ Tisch — öffnete sich einen Spaltbreit, und ein Kopf schaute heraus, der auf den ersten Blick an einen neugierigen Biber erinnerte. Der Besitzer dieses Kopfes sah die beiden Frauen prüfend an und sagte dann: «Sie werden nichts erreichen. Es gibt im ganzen Lande keins.» Hinter dicken Brillengläsern starrten zwei wache Augen belustigt hervor. «Hallo», sagte der Mann, «zwei Landsmänninnen. Würden die beiden Damen mir die Ehre geben und einen Drink bei mir nehmen?» Er stellte sich vor: «Sol Rubin, Rubin-Papierwerke.»

11

    Ein paar Sekunden lang verharrten alle Beteiligten so regungslos wie auf einem Standfoto, abgesehen von dem einladenden Lächeln, das sich auf Mr. Rubins Gesicht ausbreitete. Dieses Gesicht war viel zu klein geraten für den riesigen, buschigen dunklen Haarschopf. Und das Biberartige verdankte er den vorstehenden Zähnen sowie dem unvermeidlichen Schnurrbart des englischen Geschäftsmannes. Die gewaltige Hornbrille saß auf einer breiten,

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