Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
verzweifelt fühlen, aber sie konnte sich der unerschütterlichen Zuversicht, die Mrs. Harris ausstrahlte, nicht entziehen.
Mrs. Harris wußte selbst nicht genau, wie es dazu kam, doch sie hatte nicht vergessen, daß sie sofort, als Mr. Lockwood ihr sein Herz eröffnete, beschlossen hatte, eines Tages mit Liz an ihrer Seite bei ihm an der Wohnungstür zu läuten und zu sagen: «Mr. Lockwood, Sie bekommen Besuch von einer Freundin.» Es schien ihr inzwischen undenkbar, daß dieser Traum nicht in Erfüllung gehen sollte. Und da war noch etwas anderes. Ada zerbrach sich die ganze Zeit, während sie ihre undurchführbaren Pläne entwickelte, den Kopf über etwas, das der Berater des Botschafters, Sir Harold Barry, gesagt hatte. Aber es wollte ihr partout nicht einfallen — dabei hatte sie das Gefühl, wenn sie sich daran erinnerte, hielte sie damit den Schlüssel in der Hand, der all die tausend Türen wie durch Zauberkraft öffnen würde. Doch es wollte und wollte ihr nicht einfallen.
Immer noch fielen Lisawetas Tränen auf das Schriftstück, das Ada Harris’, alias Lady Putz’, Zugehörigkeit zur großen Welt bescheinigte.
«Und nicht einmal das stimmt», schluchzte Liz. «Verstehen Sie, Sie sind ja gar keine richtige Lady. O Gott, so meine ich das nicht. Es ist so schrecklich lieb von Ihnen, daß Sie mir helfen wollen, aber wenn Sie wirklich Lady Putz gewesen wären, wie es hier steht, hätte man vielleicht auf Sie gehört.»
«Deswegen brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen», sagte Ada, ein Lächeln unterdrückend, als sie ihr Foto vor sich liegen sah, das Foto, das sie als hochgeborene, blaublütige Aristokratin aus May-fair auswies. «Die alte, unscheinbare Ada Harris, die bei den feinen Leuten putzt, ihnen die Fußböden schrubbt und die Kleider in Ordnung hält, hat mehr vom Leben gesehen, als Sie glauben. Und zu guter Letzt kann sie vielleicht noch mehr für Sie tun als die andere mit ihrem Titel.»
Was hatte Sir Harold bloß gesagt? Irgendeine Bemerkung war es gewesen; wenn sie sich bloß nur daran entsinnen könnte.
Es wurde an die Tür geklopft, und auf ihr gemeinsames «Herein» trat ein außergewöhnlich hübscher, blonder junger Mann ins Zimmer. Die gestreiften Hosen und die kurze schwarze Jacke verrieten den Diplomaten. Er sagte: «Ich bin Byron Dale von der britischen Botschaft. Sir Harold Barry schickt mich her, um Ihnen zu sagen, daß es für Sie und Ihre Freundin vielleicht ratsamer wäre, wenn Sie sich bis zu Ihrem Abflug in der Botschaft aufhielten. Wie ich sehe, haben Sie Ihre Koffer noch nicht ausgepackt. Das ist gut so, Sir Harold meinte, Sie kämen am besten gleich mit.»
Ada verstand. Die Gefahr, die Violet und ihr seit ihrer Ankunft in der Sowjetunion gedroht hatte, war noch nicht vorüber, und jetzt war ihr auch Liz ausgesetzt, nachdem sie dem KGB die Stirn geboten und sich so furchtlos und vehement für sie und Violet eingesetzt hatte. Sie sagte: «Ich komme nur mit, wenn auch Liz mitkommen darf.»
Der junge Mann schien zunächst Bedenken zu haben, aber nach einem kurzen Blick auf Liz besann er sich anders und sagte: «Also gut. Niemand hat gesagt, daß sie nicht mitkommen dürfe. Hauptsache ist, daß wir uns beeilen. Mein Wagen wartet unten.» Er griff nach den beiden Koffern und ging, gefolgt von den Frauen, aus dem Zimmer. Etwa in der Mitte des Ganges blieb Mrs. Harris plötzlich stehen und rief: «Ich hab’s!» Da Liz und Mrs. Butterfield sie ansahen, als habe sie den Verstand verloren, sagte sie: «Mir ist gerade eingefallen, was Sir Harold gesagt hat. Warten Sie, wir kriegen Sie schon noch auf unsere Insel, mein Kind.» Der Fahrstuhl brachte sie hinunter, und sie fuhren im Botschaftswagen davon.
Das Glück war ihnen hold gewesen. Die Männer vom KGB, die sich in Lady Putz’ Suite begeben wollten, waren in den Fahrstuhl Nummer sieben eingestiegen, der schon seit Tagen irgendwelche Tücken zeigte. Und nun, vollgepackt mit KGB-Funktionären, blieb er einfach zwischen dem dritten und vierten Stockwerk stehen. Als die Panne endlich behoben war und sie oben ankamen, waren die Vögel ausgeflogen und das Nest der Pseudo-Lady leer, die sie wegen Führung eines falschen Namens und noch anderer Vergehen hatten verhaften wollen.
15
Anatol Pawlowitsch Agronsky, stellvertretender Außenminister, der acht Jahre lang den Posten eines russischen Botschafters in London bekleidet hatte, und Sir Harold Barry, der engste Berater des britischen Botschafters, waren alte Freunde. Bei
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