Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
Liebesgeschichte zwischen Lisaweta Nadjeschda Borowaskaja und Geoffrey Lockwood.
Agronsky wurde zum erstenmal wirklich wütend und sagte scharf: «Das ist völlig ausgeschlossen, und das wissen Sie so gut wie ich. Wie kommt diese Frau dazu, der Sowjetregierung Bedingungen zu stellen? Und außerdem, mein Freund, Sie sind - verzeihen Sie - ein Narr, daß Sie mir davon erzählt haben, denn wenn ich meine Stellung nicht riskieren will, kann ich die Sache nicht totschweigen, und die Folge wird sein, daß man das junge Mädchen streng bestrafen wird. Keine Stunde wird vergehen, und die Leute vom KGB werden in Ihrer Botschaft vorsprechen. Ich verlange von Ihnen die Herausgabe des Mädchens. Ich weiß, daß Ihnen angesichts unserer gegenseitigen Entspannungsbemühungen nicht daran gelegen sein kann, eine internationale Verwicklung heraufzubeschwören. Stimmen Sie also zu?»
Seltsamerweise gab der englische Diplomat keine Antwort auf diese Frage, sondern sagte statt dessen ein wenig traurig: «Was seid ihr Russen bloß für Menschen, daß es euch ein so diabolisches Vergnügen bereitet, Liebende zu trennen? Warum verweigert ihr Menschen, die sich schätzen und einander zugetan sind, das Recht auf ein Beisammensein? Ihr tut alles, um Familien auseinanderzureißen. Jedes Hindernis, das eure starre Bürokratie jungen Liebesleuten in den Weg legt, falls der eine Partner zufällig Ausländer ist, findet euren Beifall. Eure Grausamkeit auf diesem Gebiet ist ohne Beispiel, und doch gibt es, glaube ich, kein anderes Volk auf der Welt, das so warmherzig und gefühlvoll ist wie das russische, und engere Familienbande als hier kenne ich auch nicht. Wie erklären Sie sich das, Anatol Pawlowitsch?»
«Also bitte, Harold», erwiderte Agronsky. «Sie wollen doch hoffentlich jetzt nicht von mir die berühmte russische Seele definiert haben. Schließlich leben Sie lange genug hier und müssen wissen, wie unergründlich sie ist — ein wahrer Irrgarten. Und noch eins — wenn Sie bis jetzt noch nicht gelernt haben, zwischen russischer Gefühlsseligkeit und politischer Nüchternheit zu unterscheiden...»
«Ja, natürlich», sagte Sir Harold. «Ich dachte nur gerade an die Presse. In der Fleet Street braucht man doch nur etwas von einer zu erwähnen, und schon setzen sich die Rotationsmaschinen quasi von selbst in Bewegung.»
«Das sind wir ja gewöhnt», sagte Agronsky seufzend, «aber das läßt sich verschmerzen. Die Leute überfliegen die Schlagzeilen und...»
«Oh», rief Sir Harold aus, und sein Gesicht glich immer mehr dem einer Eule. Er war jetzt ganz ernst. «Ich hatte weniger daran gedacht als an den Geheimbund der Putzfrauen.»
«Geheimbund?» wiederholte Agronsky und spitzte die Ohren wie ein Terrier beim Piepsen einer Maus. «Geheimbund, sagten Sie? Aber darum dreht sich ja das Ganze. Dann ist an dem Dossier also doch etwas dran.»
«Ich bitte Sie, Anatol», erwiderte Sir Harold ruhig. «An Zwangserscheinungen sollte ein Diplomat Ihres Formats nicht leiden. Ich meine die unermüdliche Tratschsucht der Putzfrauen. Sie haben doch lange genug in London gelebt und müßten diesen Typ doch eigentlich kennen?»
Die Erinnerung an London, wo es ihm ausnehmend gut gefallen hatte, zauberte plötzlich ein Lächeln auf das Gesicht des Russen. «Ja, richtig, die gute Mrs. Minby zum Beispiel, die bei Kip Slade-Watts arbeitete. Die hatte ich später richtig gern.»
«Na also», sagte Sir Harold. «Und woher wußten Sie drei Tage früher als wir, daß die Regierung des mittelafrikanischen Staates Ngonbia im Begriff war, die Beziehungen zu uns abzubrechen und ihren Botschafter abzuberufen?»
«Aber selbstverständlich von unserem Geheim...» Agronsky hielt plötzlich inne, schlug sich an die Stirn und fuhr fort: «Natürlich - Mrs. Minby! Und die hatte es von Mrs. Cranshaw, deren Freundin in der ngonbianischen Botschaft saubermachte.»
«Genau», sagte Sir Harold. «Eine Frau wie Mrs. Harris würde nie auf den Gedanken kommen, sich an die Presse zu wenden, aber die Journalisten werden irgendwann Wind von der Sache bekommen, und angesichts des großen Wirbels, den es gab, als die Sache mit den Dissidenten bekanntwurde, wie Sie selbst sagen, wird die andere Geschichte noch mehr Aufsehen erregen. Dann sind wir uns also einig, ja? Ich verlasse mich darauf, daß das KGB den beiden Bürgerinnen meines Landes nicht in letzter Minute irgendwelche Schwierigkeiten macht.»
«Machen Sie sich deswegen keine Gedanken», sagte
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