Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
und darum laßt ihr alles als Vogelfutter kommen.»
Sir Harold mußte ihnen den Rücken zudrehen, oder er wäre laut herausgeplatzt.
«Wer hat Ihnen eine so ungeheuerliche Lüge aufgetischt?» krächzte Agronsky.
«Eine ungeheuerliche Lüge! Das ich nicht lache. Ich habe es von Mr. Rubin. Er war wie so oft betrunken, und wenn Sie wollen, sage ich Ihnen auch den Namen der Vogelfutterfirma, unter dem das Toilettenpapier eingeführt wird.»
Der stellvertretende Außenminister wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn, holte tief Luft, um die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, und sagte: «Sir Harold, kann ich Sie bitte einen Moment unter vier Augen sprechen? Wenn wir vielleicht...»
«Aber natürlich», erwiderte der britische Botschaftsrat. «Kommen Sie, wir gehen in mein Büro...» Er wandte sich an die beiden Damen und sagte: «Entschuldigen Sie uns für einen Augenblick», und da er Agronsky den Rücken zukehrte, blinzelte er Mrs. Harris so heftig zu, wie es keine Eule besser gekonnt hätte. Als er und Agronsky den Raum verließen, kam Mrs. Harris zum erstenmal der Verdacht, daß sie auf eine Goldader gestoßen war.
Sir Harold schloß die Tür seines Büros sorgfältig hinter sich. Die beiden Männer nahmen Platz, und jeder steckte sich eine Zigarette an. Einige Minuten rauchten sie schweigend vor sich hin, und jeder sann für sich darüber nach, welche Argumente er bei der bevorstehenden Auseinandersetzung ins Feld führen konnte.
Agronsky kam als erster zur Sache: «Wir können dieser Mrs. Harris selbstverständlich nicht gestatten abzureisen. Das sehen Sie doch ein, nicht wahr?»
Sir Harold nickte ernst und erwiderte: «Von Ihrem Standpunkt aus gesehen, vielleicht.»
«Sie ist auf irgendeine Weise in den Besitz einer Information gelangt, die, falls sie verbreitet wird, dem Ansehen der Sowjetunion großen Schaden zufügen kann.»
Sir Harold nickte wieder und sagte: «Ja, das verstehe ich schon, aber was ist mit mir ?»
«Wie bitte?» fragte der Russe scharf.
«Ja, ich weiß es doch jetzt auch», antwortete Sir Harold ruhig und freundlich. «Damit sind wir — Moment mal: Mr. Rubin, Mrs. Harris, Mrs. Butterfield und ich — also bereits vier Personen, die es wissen.»
Er drehte seine Zigarette zwischen den Fingern und betrachtete sie angelegentlich, bevor er fortfuhr: «Mein lieber Anatol, nach Ihrem Weggang vergehen keine zwei Minuten, und ich werde Seine Exzellenz den Botschafter über die Sache in Kenntnis setzen. Kurz danach weiß es der Sekretär, der unsere Nachrichten verschlüsselt. Dann erfährt es der Angestellte im Foreign Office in London, der sie dechiffriert, anschließend der Außenminister und so weiter und so fort. Das ergibt eine so stattliche Anzahl von Mitwissern, daß die Damen Harris und Butterfield beinahe nicht mehr zählen, abgesehen vielleicht vom Geheimbund der Putzfrauen. Sie müssen doch begreifen, alter Junge, daß jede weitere Spekulation darüber, die beiden unschuldigen Frauen nicht abreisen zu lassen, keinen Sinn hat.»
Dem zweiten Mann des sowjetischen Außenministeriums schwindelte bei der Vorstellung, welche Schwierigkeiten seiner Regierung drohten, nur weil eine englische Reinmachefrau etwas ausgeplaudert hatte.
Sir Harold drückte seine Zigarette aus und lehnte sich im Sessel zurück. Er sagte: «Nachdem also dieser Punkt geklärt ist, bliebe ja auch noch die Möglichkeit, daß die britische Regierung den Kaufvertrag annulliert, was ja keine Katastrophe für Sie bedeuten würde. Der Presse gegenüber wird man die Sache allerdings nicht verheimlichen können. Vogelfutter! Wie, um alles in der Welt, sind Sie denn bloß auf diese Idee verfallen?»
Agronsky wußte nicht, was er darauf antworten sollte. Er überlegte fieberhaft, wie er mit den verschiedenen Schwierigkeiten fertig werden konnte, und suchte gleichzeitig verzweifelt nach einem Ausweg aus der verfahrenen Situation.
Sir Harold ging nun zur Pfeife über, und nachdem er sie aufreizend langsam und umständlich gestopft hatte, sagte er: «Sie erinnern sich an unser Gespräch im Park? Es war unsere einhellige Meinung, daß die Schmähungen, die in der Presse eines Landes gegen eine andere Nation ausgestoßen werden, das Papier und die Druckerschwärze nicht wert sind. Trotzdem kann ich mir nicht denken, daß man an höherer Stelle sehr entzückt wäre, der ganzen Welt als Zielscheibe des Spottes zu dienen, falls die Zeitungen diese Vogelfuttergeschichte aufgreifen. Selbst die Japaner, die in der
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