Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
Agronsky. «Wenn das KGB erst einmal merkt, welches Durcheinander es in diesem Fall angerichtet hat, wird man dort ganz andere Sorgen haben.»
«Ich danke Ihnen», sagte Sir Harold, machte jedoch keine Anstalten, sich zu erheben. Er lächelte verlegen und sagte: «Ich habe noch eine weitere Bitte an Sie, Anatol, und ich wage sie auch nur vorzubringen, weil wir uns so lange kennen. Würden Sie bitte nur für ein paar Minuten mit mir in die Botschaft kommen? Mrs. Harris möchte sich gern persönlich bei Ihnen für das junge Mädchen verwenden.»
Agronsky wurde förmlich und wiederholte: «Was soll das heißen: persönlich? Sie wissen doch, daß das zwecklos ist.»
«Natürlich weiß ich das», sagte Sir Harold. «Aber es wäre trotzdem sehr liebenswürdig von Ihnen. Sie ist eine einfache, gute Seele, so ehrlich und rechtschaffen, wie man es sich nur vorstellen kann, und sie ist fest davon überzeugt, daß sie eure Herzen erweichen könnte, wenn man sie nur mit einem der reden ließe. Sie braucht sich dann nach ihrer Rückkehr wenigstens keine Vorwürfe zu machen, daß sie nicht alles versucht hätte.»
Der Russe warf seinem Freund einen Blick zu. Dann klopfte er ihm auf die Schulter und sagte: «Sie sind selbst eine gute Seele, Harold. Also schön. Im Gedenken an unsere liebe Mrs. Minby will ich Ihre Bitte erfüllen.»
Die beiden Männer verließen den Park und stiegen in den Wagen der Britischen Botschaft. Auf der Fahrt dorthin dachte Agronsky, daß er sich wohl noch nie im Leben auf eine so absurde Geschichte wie diese eingelassen hatte. Auf dem Rückweg war er der gegenteiligen Meinung und dachte voller Dankbarkeit an seinen guten Stern.
Ada Harris konnte die Bitte, die sie Anatol Pawlowitsch Agronsky vortrug, nur in schlichte, gefühlsvolle, zu Herzen gehende Worte kleiden. Liz wartete in einem anderen Raum. So hörten also nur die beiden Männer und Mrs. Butterfield — die sich hin und wieder eine Träne aus dem Augenwinkel wischte — Ada zu, wie sie von der Beständigkeit der beiden Liebenden sprach, die einander die Treue gehalten hatten, obwohl ihnen selbst ein Briefwechsel versagt geblieben war, immer hätten sie gehofft, daß doch noch alles gut würde.
«Er ist eben ein Gentleman», erklärte Ada. «Ein anderer hätte das Ganze vielleicht als eine flüchtige Liebelei betrachtet und das Mädchen dann vergessen. Aber da kennen sie ihn nicht. Wie ein Schuljunge sitzt er träumend vor ihrem Foto und setzt Himmel und Erde in Bewegung, damit die englischen Behörden ihm helfen, daß das Mädchen die Ausreiseerlaubnis erhält und zu ihm kommen kann.»
Hat denn einer von unseren Leuten auch nur einen Finger gerührt, um ihm zu helfen? Mit welchem Recht halten wir Engländer uns eigentlich für zivilisierter als die Russen? schoß es Sir Harold durch den Kopf.
«Liz — ich meine das junge Mädchen», fuhr Mrs. Harris fort, «ist ein wahrer Engel. Sie hat ihm ihr Wort gegeben und es nicht gebrochen. Es hätte ja auch sein können, daß er verheiratet war und zwei Kinder hatte, aber sie hatte versprochen, auf ihn zu warten, und wenn ein Mensch mit einem so unwandelbaren Herzen etwas verspricht, dann hält er es auch. Es kommt nicht oft vor, Sir, daß zwei Menschen, die durch Umstände wie diese getrennt werden, zu ihrem Wort stehen. Wenn es aber passiert, dann weiß man, daß es sich um wahre Liebe handelt. Wissen Sie, was geschieht, wenn Sie sie ausreisen lassen, Sir? Die beiden jungen Menschen werden Ihrem Land ewig dankbar sein und es immer lieben. Was haben Sie zu verlieren, Sir, wenn Sie zwei gebrochene Herzen wiedervereinen? Geben Sie sie frei. Ihr eigenes Herz wird es Ihnen danken.»
Der stellvertretende Außenminister war in der Tat gerührt, mehr gerührt, als er es erwartet hatte, umgestimmt jedoch hatte Mrs. Harris ihn nicht, denn er konnte die Sache drehen und wenden, soviel er wollte, sie wurde nicht anders. Da war einfach nichts zu machen. Das junge Mädchen hatte gleich gegen mehrere strenge sowjetische Gesetze verstoßen, und höheren Orts war man zur Zeit in diesem Punkt ganz besonders empfindlich. Agronsky sah Mrs. Harris heute zum erstenmal; er hatte an dem Empfang nicht teilgenommen. Jetzt saß sie vor ihn, eine kleine, zierliche Person, das Gesicht von tiefen Furchen durchzogen, die von der Härte eines langen Lebens zeugten, und die knotigen Finger verrieten, wie schwer sie all die Jahre gearbeitet hatte. Er dachte an die Millionen und aber Millionen von Russen, die vom
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