Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
gleichen Klemme stecken wie Ihr Land, sind nicht auf eine so verrückte Idee verfallen. Und haben Sie schon einmal daran gedacht, was für ein gefundenes Fressen diese Geschichte für die Karikaturisten wäre, nicht nur in England, sondern in ganz Europa? Der Spiegel, Le Canard Enchaine und La Stampa - was, glauben Sie, lieber Freund, wie die das ausschlachten würden!»
Der stellvertretende Außenminister gab auf, und als guter Kommunist wandte er sich wie üblich an höhere Stelle um Hilfe. Er schlug die Hände vors Gesicht und stöhnte: «O mein Gott, was soll ich bloß tun? Man wird mir die Schuld geben, da bin ich ganz sicher.»
Sir Harold griff nach der Schachtel mit Streichhölzern auf seinem Schreibtisch, entnahm ihr ein Hölzchen und setzte damit seine Pfeife in Brand. Das alles tat er so gemächlich, als habe er sonst nichts Besseres zu tun, und nachdem er sich vergewissert hatte, daß sie gut zog, sagte er ruhig: «Machen Sie einen Kuhhandel.»
Der Russe ließ die Hände sinken. «Was soll ich machen?»
«Einen Kuhhandel», wiederholte Sir Harold. «Lassen Sie das junge Mädchen nach London ausreisen. Dafür halten Mrs. Harris und ihre Freundin den Mund. Eine ganz einfache Sache.»
Der Russe machte große Augen. Plötzlich schien sich ein rettender Ausweg zu finden. Er sagte: «Aber kann man sich darauf verlassen? Sie sprachen ja selbst von diesem... Geheimbund der Putzfrauen...»
«Aber das müssen Sie doch gemerkt haben», sagte Sir Harold, «daß Mrs. Harris eine Frau von Ehre ist. Was sie verspricht, das hält sie auch.»
Agronskys Gesicht bekam wieder etwas Farbe. Er sagte: «Glauben Sie wirklich, daß...» Er brach ab und fuhr nach kurzer Pause fort: «Und was ist mit Ihnen? Sie haben vorhin gesagt, daß ja auch Sie inzwischen davon wüßten. Der Botschafter, das Foreign Office werden es erfahren, Ihr Pflichtbewußtsein...»
Sir Harold sog bedächtig an seiner Pfeife. Dann sagte er: «Wenn Mrs. Harris’ inständiges Bitten Sie nicht angerührt hat, Anatol Pawlowitsch — mich hat es bewegt. Lassen Sie das junge Mädchen ziehen, und ich verspreche Ihnen, auch im Namen von Mrs. Harris und deren Freundin, daß das, was hier ruchbar geworden ist, unter uns bleibt. Das Geheimnis wird gewahrt werden. Sie haben die nötige Macht und auch die Zivilcourage, um für Lisaweta Nadjeschda Borowaskaja das erforderliche Ausreisevisum innerhalb von zwölf Stunden zu beschaffen.»
Agronsky überlegte fieberhaft. Wenn er alle Beziehungen spielen ließ, konnte das Visum in kürzester Zeit zur Stelle sein. Doch gleich darauf ließ er mutlos den Kopf sinken und sagte: «Aber das KGB...»
«Das brauchen Sie nicht zu fürchten», sagte Sir Harold. «Dort geht es im Augenblick drunter und drüber. Die Leute haben Mist gebaut, wie unsere amerikanischen Freunde es ausdrücken würden, haben aber noch nicht herausgekriegt wo. Wenn Sie keine Zeit verlieren, ist das junge Mädchen, bis sie hellhörig werden, längst über alle Berge.»
Agronskys Gesicht hellte sich auf.
Sir Harold klopfte seine Pfeife aus, erhob sich und sagte: «Kommen Sie, wir müssen mit den Damen ja noch einiges besprechen.»
16
Sir Harold nahm den Telefonhörer ab und sagte zu einem Sekretär: «Ich lasse die Fremdenführerin Lisaweta Nadjeschda Borowaskaja zu uns bitten.» Kurz darauf erschien Liz, bekümmert, unsicher und verschüchtert. Als sie Agronsky erblickte, wurde sie blaß.
Mrs. Butterfield schluchzte und Mrs. Harris wagte kaum, Liz anzusehen. Auch sie war ziemlich aufgeregt und wußte nicht, wie es weitergehen sollte.
Sie waren im Empfangsraum der Botschaft versammelt, und Agronsky blickte verstohlen um sich. Er wandte sich an Sir Harold: «Sind wir hier sicher — ich meine... Sie verstehen schon...?»
«Das bezweifle ich», sagte Sir Harold, «aber über diesen Raum machen wir uns eigentlich am wenigsten Gedanken. Dennoch schlage ich vor, daß wir unsere kleine Konferenz im Schwitzbad abhalten.»
«Wo bitte?» fragte der stellvertretende Außenminister.
«Nun ja, nach einer Weile wird es da manchmal ein bißchen stickig, deshalb nennen wir den Raum unser Schwitzbad, aber er ist der einzige Ort in der Botschaft, wo man nicht abgehört werden kann.» Sie gingen über verschiedene Flure und Gänge und betraten durch Doppeltüren, zwischen denen sich eine merkwürdig gerippte Schwelle befand, einen kleinen, gemütlich eingerichteten Raum mit einem Konferenztisch und Stühlen darum herum. Sir Harold schloß die innere Tür und
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