Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
Pelzmantel, doch die Preise laufen ihr immer wieder davon. Jedesmal, wenn sie dachte, sie hätte das Geld beisammen, war der Pelz wieder zwanzig Pfund teurer als im Jahr vorher. Und dann hab ich ihr auch noch eingeredet, daß sie in Rußland billig einen Pelz kaufen könnte. Ich hatte es in den Heften und Prospekten mit all den schönen Fotos gelesen. Aber sie wollte nicht mit nach Rußland kommen, sie hatte Angst, und da habe ich zu ihr gesagt: Aber, du lieber Gott... die Preise! Ich möchte mal wissen, wer so viele Rubel hat — wer sich die leisten kann. Zwei- bis dreitausend Pfund! Na ja, aber es steht ja auch sonst eine Menge in den Prospekten, was nicht stimmt.»
Sie zögerte einen Augenblick, als sei ihr plötzlich ein neuer Gedanke gekommen, und sagte dann: «Ich meine ja nicht so einen teuren Pelz wie in dem feinen Geschäft, sondern einen, wie ein Mädchen wie Liz ihn sich kaufen würde, wenn der Winter vor der Tür steht.»
Bei diesen Worten wurde Anatol Pawlowitsch Agronsky nun wieder ganz warm ums Herz. Abermals hatte Mrs. Harris nichts für sich erbeten, sondern etwas für ihre Freundin. Und diese arme, dicke, verängstigte Frau soll ihn dann auch haben, dachte Agronsky.
«Also gut», sagte er. «Ihre Freundin Mrs. Butterfield wird ihren Pelzmantel bekommen.»
«Oh, vielen Dank, Sir», stammelte Mrs. Butterfield «Aber das ist doch wirklich nicht nötig...» Mrs. Harris blitzte sie an und zischte: «Halt den Mund.»
Mrs. Butterfield verstummte.
Agronsky sah auf die Uhr und sagte: «Ja, dann will ich mich um Reisepaß und Visum kümmern, damit es bis morgen vormittag klappt.» Er wandte sich an Liz. «Würden Sie mir bitte Ihren Personalausweis und Ihre anderen Papiere geben?»
Liz blickte erschrocken auf. Ein russischer Bürger ohne seine amtlichen Papiere war so etwas wie eine .
Ada sagte: «Geben Sie sie ihm, Liz. Ich vertraue ihm.»
Das junge Mädchen stand auf, öffnete ihre Handtasche und übergab ihm die Papiere. Anatol Pawlowitsch schüttelte Liz die Hand und sagte: «Alles Gute!» Dann verabschiedete er sich von Mrs. Butterfield, und als letzte kam Mrs. Harris an die Reihe. Er beugte sich zu ihr hinunter und küßte sie auf beide Wangen, ehe er sich umwandte und ergriffen den Raum verließ.
Sir Harold stand auf und sagte: «Im ersten Stock sind zwei Zimmer, in denen Sie es sich gemütlich machen können. Allerdings dürfen Sie das Haus unter keinen Umständen verlassen, und zeigen Sie sich auch bitte nicht an den Fenstern oder an der Haustür.»
«Verzeihung, Sir», sagte Mrs. Harris, «kann ich hier ein Telegramm aufgeben? »
«Wohin?»
«Nach London. Ich will es auch bezahlen.»
«Aber natürlich, Mrs. Harris. Wir erledigen das gern für Sie. Schreiben Sie nur den Text auf...» sagte er und gab ihr Notizblock und Kugelschreiber.
Als Mrs. Harris den Text aufgesetzt hatte, warf er einen flüchtigen Blick darauf und sagte dann: «In Ordnung. Wir werden es sofort durchgeben.» Er konnte nicht ahnen, daß Mrs. Harris mit diesem Telegramm einen Traum begrub.
17
Die Stunden bis zum Abflug verliefen für Mrs. Harris und Mrs. Butterfield völlig glatt und reibungslos. Sir Harold Barry hatte die Damen zum Flughafen gebracht, und auch Anatol Pawlowitsch Agronsky war erschienen. Beide überreichten jeder der drei Damen einen Blumenstrauß. In dem großen Flughafengebäude herrschte noch mehr Gedränge als bei ihrer Ankunft, dachte Mrs. Harris, und ihr war, als läge eine merkwürdige Unruhe in der Luft, doch sie erklärte sich dieses Gefühl mit ihrer eigenen Freude darüber, daß es ihr gelungen war, das Unmögliche möglich zu machen. Sie hatte erreicht, daß Liz Rußland verlassen und mit ihr nach London fliegen durfte.
Bei den üblichen, sonst so langwierigen Formalitäten wie Paßkontrolle und Zoll gab es nicht die geringsten Schwierigkeiten. Und als sie die letzte Bariere mühelos hinter sich gebracht hatten und nun über die Rollbahn auf die Maschine zugingen, fand Mrs. Harris es auch gar nicht verwunderlich, daß sowohl Sir Harold Barry wie Agronsky sie begleiteten. Das Flugzeug war offenbar ausgebucht, denn es strömten ungewöhnlich viele Menschen darauf zu, darunter einige ungewöhnlich streng und ernst aussehende Männer. Die drei Frauen erklommen die Gangway, drehten sich oben noch einmal um und winkten; die beiden
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