Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
Colbert. Ich nehme an, das kostet Sie Ihre Stellung.» Erhob sich und rauschte aus dem Saal.
«Ah, das glaube ich nicht!» Das sagte der alte Herr mit den buschigen Brauen, der grimmig vorspringenden Nase und der Rosette der Légion d’Honneur im Knopfloch. Er stand auf und erklärte ein wenig dramatisch: «Ich bin stolz, Zeuge gewesen zu sein, daß der Geist der wahren Demokratie noch nicht völlig in Frankreich erloschen ist und daß Anstand und Ehre noch immer ihre Verteidiger besitzen. Wenn es in dieser Angelegenheit irgendwelche Schwierigkeiten geben sollte, werde ich selber mit dem Patron sprechen.»
Madame Colbert schaute ihn an und flüsterte: «Monsieur sind sehr gütig.» Sie war verlegen, hatte ein drückendes Gefühl in der Herzgrube und fürchtete sich nicht wenig, als sie einen Augenblick in den dunklen Abgrund der Zukunft spähte — Jules abermals übergangen, sie von ihrem Posten entfernt und zweifellos als böswillige Frau auf die schwarze Liste gesetzt.
Ein Mädchen, das an der Tür stand, rief aus: «Nummer eins, Nocturne », während ein Mannequin in beigefarbenem Kostüm mit breiten Aufschlägen und Glockenrock in den Salon stolzierte.
Ein kleiner Schrei der Erregung entrang sich Mrs. Harris. «Lieber Himmel! Es hat angefangen!»
Trotz ihrer Geistesverfassung verspürte Madame Colbert, wie eine unerklärlich heftige Liebe zu der Scheuerfrau in ihr aufwallte; sie beugte sich hinunter und drückte Mrs. Harris an sich. «Nun passen Sie gut auf», sagte sie, «damit Sie Ihren Herzenswunsch auch erkennen.»
Achtes Kapitel
Während der nächsten anderthalb Stunden führten etwa zehn Mannequins vor den bezauberten Augen von Mrs. Harris einhundertzwanzig Modelle der höchsten Schneiderkunst vor, die sich in der Stadt mit der entartetsten Kultur der Welt finden läßt.
Sie kamen in Satin und Seide, Spitze und Wolle, Jersey und Baumwolle, Brokat und Samt, Köper und Tuch, Tweed und Tüll, Organza und Musselin...
Sie zeigten Kleider, Kostüme, Mäntel, Capes, Roben, Gewänder für Cocktails, für den Vormittag, den Nachmittag, den Abend, für Diners und offizielle Bälle und Empfänge.
Sie traten ein, geschmückt mit Pelzen, Perlen, Spangen, Gold- und Silberstickereien oder steif von Brokat in wunderbaren Farben von gewagter Zusammenstellung. Die Ärmel waren lang, kurz oder mittel, oder sie fehlten völlig. Die Ausschnitte wechselten von würgender Höhe bis zu bestürzender Tiefe. Die Säume wanderten je nach Laune des Entwerfenden. Manche Taillen saßen hoch, andere tief; bisweilen wurden die Brüste betont, bisweilen vernachlässigt oder völlig versteckt. Das Motto der Schau waren die hohe Taille und die verborgenen Hüften. Es gab Andeutungen und Vorahnungen der kommenden Sack- und Trapezlinie. Jeder bekannte Pelz vom Persianerlamm, Nerz und Nutria bis zum sibirischen Marder oder Zobel wurde als Besatz oder in Form von Stolen oder Jacken verwendet.
Es dauerte nicht lange, da hatte Mrs. Harris sich an dieses bestürzende Angebot von Reichtum und Eleganz gewöhnt und erkannte bald die verschiedenen Mannequins bei ihrem jeweiligen Erscheinen wieder.
Da war das Mädchen, das geschmeidig schleichend einherging, den Bauch gute sechs Zoll vorgeschoben, und die Kleine mit den -Augen und dem herausfordernden Mund. Da war das Mannequin, das häßlich zu sein schien, bis Mrs. Harris den Gang und die ruhig elegante Haltung bemerkte, und ein anderes, das so mollig war, daß eine dicke Kundin sich mit ihr zu identifizieren vermochte. Da war das Mädchen mit der arrogant gehobenen Nase und der Verachtung auf den Lippen und der entgegengesetzte Typ, eine rothaarige Range, die bei ihren Runden mit dem ganzen Salon zugleich flirtete.
Und dann natürlich die eine und einzige: Natascha, der Star. Es war im Salon üblich, zu klatschen, wenn eine Kreation besonderen Anklang fand, und Mrs. Harris’ Handflächen, hornig vom Umgang mit Schrubber und Mop, waren tonangebend, sobald Natascha erschien — von Mal zu Mal reizender. Bei einer ihrer Vorführungen bemerkte die Scheuerfrau einen großen blonden und blassen jungen Mann mit einer sonderbaren Narbe im Gesicht, der draußen stand und hungrig auf die eintretende Natascha starrte. sagte sie zu sich,
Mrs. Harris wär selber verhebt: in Natascha, in Madame Colbert, doch vor allem in das Leben, das so wunderbar geworden war. Die Rückseite ihrer Einladung war
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