Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
setzte ihm mit ein paar raschen französischen Sätzen den Sachverhalt auseinander. Doch das vermochte seinen Zorn darüber, die äußere Hülle seiner Angebeteten so verhöhnt und travestiert zu sehen, nicht zu besänftigen.
    «Es braucht nicht geändert zu werden», sagte Mrs. Harris gerade. «Ich nehm’s wie’s ist. Lassen Sie’s einpacken.»
    Madame Colbert lächelte. «Aber, meine Liebe, Sie wissen doch sicher, daß Sie dieses Kleid nicht haben können. Das ist das Modell, und wir führen die Sommerkollektion noch den ganzen Monat vor. Natürlich machen wir Ihnen eins genau wie...»
    Angst drückte Mrs. Harris das Herz ab, als sie begriff, was Madame Colberts Worte bedeuteten. «Lieber Gott! Sie machen mir eins...», wiederholte sie und sah plötzlich aus wie eine ältere Parodie auf sich selber. «Wie lange dauert denn das?»
    Nun war auch Madame Colbert beunruhigt. «Üblicherweise zehn bis vierzehn Tage... aber für Sie würden wir eine Ausnahme machen und es in einer Woche...»
    In das entsetzliche Schweigen, das dieser Enthüllung folgte, brach der Schrei, der sich Mrs. Harris’ tiefstem Herzen entrang. «Aber verstehen Sie das denn nicht? Ich kann nicht in Paris bleiben. Ich habe gerade noch genug Geld, um nach Haus zu kommen! Das bedeutet, daß ich es nicht haben kann!» Sie sah sich schon in ihre dunkle Wohnung in Battersea zurückkehren, mit leeren Händen, nur im Besitz des unnützen Geldes. Was sollte sie mit dem vielen Geld anfangen? Den Besitz von Versuchung hatte Sie begehrt, mit Leib und Seele begehrt, wenn sie das Kleid auch nie wieder anziehen würde.
    Abscheuliches, furchtbares, gewöhnliches Weib, dachte Monsieur André, das geschieht dir ganz recht. Und es wird wir ein Vergnügen sein, dir dein gemeines Geld zurückzugeben.
    Darauf sahen alle mit Abscheu, wie sich zwei Tränen in den Winkeln ihrer Augen bildeten, von andern gefolgt, die über die rotgeäderten Backen herunterrollten, während Mrs. Harris da in ihrer Mitte stand, bekleidet mit dem erlesenen Ballkleid, elend, im Stich gelassen, verzweifelt, unglücklich.
    Und plötzlich fühlte sich Monsieur André Fauvel, Buchhalter und Geldmensch, dem man ein Herz von Stein zuschrieb, bewegt, wie er es selber nie für möglich gehalten hätte, unerträglich und bis ins tiefste angerührt; und mit einem jener Erkenntnisblitze, die Franzosen so oft auszeichnen, wußte er, daß seine hoffnungslose Liebe für das Mädchen Natascha, deren süßer und angebeteter Leib in diesem Gewand geatmet hatte, ihm so plötzliches Verständnis für die Tragödie dieser Fremden schenkte.
    Deshalb weihte er seine nächste Bemerkung jenem Mädchen, das niemals erfahren würde, wie tief er sie liebte, oder daß er sie überhaupt geliebt hatte. Er wandte sich mit einer leichten, förmlichen Verneigung an Mrs. Harris: «Wenn es Madame recht ist, lade ich Madame für diese Zeit als Gast in meine Wohnung ein. Es ist ein kleines Haus, aber meine Schwester mußte nach Lille reisen, und Platz wäre da...»
    Er wurde sofort belohnt — mit dem Aufleuchten, das über das Gesicht der kleinen Frau glitt und mit ihrem Aufschrei: «Der Himmel soll Sie segnen! Ist das wirklich Ihr Ernst?», aber auch mit der seltsamen Gebärde Madame Colberts, die sich etwas aus dem Augenwinkel wischte und sagte: «Oh, André, vous êtes un ange!»
    Doch dann schrie Mrs. Harris abermals auf: «Oh, lieber Himmel... aber meine Stellen...»
    «Haben Sie denn keine Freundin», schlug Madame Colbert hilfsbereit vor, «jemand, der Ihnen aushelfen könnte, solange Sie hier sind?»
    «Mrs. Butterfield», entgegnete Mrs. Harris unverzüglich, «aber eine ganze Woche...»
    «Wenn sie eine wirkliche Freundin ist, wird es ihr nichts ausmachen», überlegte Madame Colbert. «Wir könnten ihr in Ihrem Namen ein Telegramm schicken.»
    Mrs. Butterfield würde es nichts ausmachen, vor allem, wenn sie die ganze Geschichte erfahren würde, davon war Mrs. Harris überzeugt. Doch das Gewissen schlug ihr, als sie an Pamela Penrose und ihre wichtigen Regisseur-Freunde und an ihre Karriere dachte. Aber Versuchung war stärker. «Ich werde es tun», rief sie, «ich muß es haben!»
    Zu ihrem Entzücken stürzte daraufhin eine Horde von Einrichterinnen, Zuschneidern, Schneiderinnen und Näherinnen auf sie zu mit Maßband, Schnittmustergaze, Stecknadeln, Heftgarn, Scheren und all dem wunderbar aufregenden Drum und Dran, das nun einmal zur Fertigstellung des teuersten Kleides der Welt gehört.
    Bis zum späten

Weitere Kostenlose Bücher