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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Glasschrank, die großen gerahmten Fotografien von Monsieur Fauvels Großeltern in der steifen Kleidung der Jahrhundertwende, das Tafelklavier in einer Ecke, den riesigen Kübel mit der Blattpflanze in der andern, die Spitzen auf den Sofakissen, die Chenillevorhänge und die dickgepolsterten Sessel — Behaglichkeit ohne Eleganz — , und ihr Herz fühlte sich dazu hingezogen.
    «Oh, bitte», rief sie, «darf ich dableiben und mithelfen? Würden Sie es gestatten, Monsieur?»
    Monsieur Fauvel verfiel in geradezu hysterische Anfälle erniedrigender Entschuldigungen: «Aber Mademoiselle…, ausgerechnet Sie... in diesem Schweinestall... ich könnte vor Scham vergehen... und diese kleinen Hände verderben... Nie im Leben würde ich erlauben...»
    «Na, na... jetzt aber Schluß damit, Schatz!» befahl Mrs. Harris kurz und bündig. «Lieber Himmel, ist man denn auf dieser Seite des Kanals so schwer von Begriff? Sehen Sie denn nicht, daß das Mädel es gern tun möchte? Nun stehen Sie uns nicht im Wege rum, damit wir anfangen können.»
    Meine Güte, dachte Mrs. Harris, als sie und Natascha Kopftücher und Schürzen umgebunden und nach Besen und Staubtuch gegriffen hatten, die Franzosen sind ja genau wie andere Leute, vielleicht ein bißchen schmutziger... aber sonst ... Wer hätte das nach allem, was man so hört, gedacht?
    Gerade an diesem Abend hatte Natascha Verabredungen zum Cocktail mit einem Grafen, zum Diner mit einem Herzog und danach eine mit einem bedeutenden Politiker. Es verschaffte ihr das größte Vergnügen, das sie seit ihrer Ankunft in Paris je erlebt hatte, den Grafen sitzenzulassen und mit der erfahrenen und tüchtigen Mrs. Harris dem Schmutz in der Rue Dennequin Nr. 18 zu Leibe zu rücken, wie ihm noch nie zu Leibe gerückt worden war.
    Ehe man sichs versah, war alles wieder in Ordnung. Die Kaminsimse und Möbel blitzten, die Blattpflanze war begossen, die Betten frisch bezogen, der Schmutzrand in der Badewanne beseitigt und Töpfe, Pfannen, Schüsseln, Teller, Gläser und Besteck sauber aufgewaschen.
    Oh, wie schön, wieder in einem Heim zu sein, wo man eine Frau sein kann und nicht bloß eine alberne kleine Puppe! sagte Natascha zu sich selber, während sie gegen den Staub und die Spinnweben in den Ecken vorging und kopfschüttelnd die Schmutzhaufen betrachtete, die Monsieur Fauvel nach Männerart einfach unter den Teppich gefegt hatte.
    Und wie sie da einen Augenblick so stand und über die Unverbesserlichkeit des männlichen Geschlechts im allgemeinen nachsann, fühlte sie sich plötzlich von Monsieur Fauvels trauriger Lage angerührt und dachte: Eine feine Schwester muß er haben, dieser arme Junge, und er schämt sich so. Und auf einmal sah sie im Geist, wie sie den blonden Kopf mit dem errötenden Gesicht und der weißen Narbe — gewiß auf ehrenhafte Weise erworben — an ihre Brust drückte und dazu murmelte: Und das zu einem völlig Fremden, den sie kaum wahrgenommen hatte, wenn er gelegentlich in der Firma irgendwo auftauchte. Stocksteif blieb sie einen Atemzug lang vor Erstaunen über sich selber, auf den Besen gestützt, stehen, ein Muster hausfraulicher Anmut, als sie von dem eben zurückkehrenden und hingerissenen Monsieur Fauvel überrascht wurde.
    Die beiden Frauen waren so eifrig gewesen, daß sie nichts von der Abwesenheit des Buchhalters bemerkt hatten, bis er plötzlich — kaum zu sehen hinter dem Gebirge von Paketen, mit denen er beladen war — wieder erschien.
    «Ich glaubte, Sie würden nach solch erschöpfender und mühevoller Arbeit vielleicht hungrig sein...», erklärte er. Und mit einem Blick auf die aufgelöste, schmutzige, aber ganz und gar zufriedene Natascha fuhr er stammelnd fort: «Würden Sie... Könnten Sie... Dürfte ich hoffen, daß Sie bleiben würden?»
    Der Graf und die Verabredung mit ihm waren längst vergessen. Dem Herzog und dem Politiker erging es ebenso. Mit äußerster Einfalt und Natürlichkeit und ohne jede Rücksicht auf sich selbst und ihren Ruf legte Natascha — oder richtiger: Mademoiselle Petitpierre aus Lyon — Monsieur Fauvel die Arme um den Hals und küßte ihn. «Sie sind ein Engel, André, daß Sie daran gedacht haben. Ich habe einen w ilden Hunger. Aber erst will ich mir rasch ein Bad in dieser wunderbar tiefen Wanne oben genehmigen, und dann werden wir essen, essen und gar nicht wieder aufhören.»
    Auch Monsieur Fauvel

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