Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
Würden Sie mich bitte mit meinem Schwiegersohn, M. de Latocque, verbinden? Hier spricht Marquis de Chassagne aus London.»
Der Marquis telefonierte etwa zehn Minuten lang mit seinem Schwiegersohn, dem Herausgeber einer der großen Pariser Zeitungen, des L’Etoile, der eine ebenso große Auflage wie großen Einfluß hatte. Es war ein sehr befriedigendes Gespräch. Denn nachdem es beendet war und er eingehängt hatte, lächelte er wie ein ungezogener Junge vor sich hin, der die Zündschnur eines riesigen Feuerwerkskörpers unter einem Polizisten angesteckt hat und es kaum erwarten kann, daß es knallt.
8
Die Wahlkampagne von Mrs. Ada Harris für den Unterhaussitz von East Battersea begann genauso, wie Mr. Charles Smyce es geplant und arrangiert hatte, nämlich mehr als lahm. Eine jämmerliche Versammlung fand in einem schäbigen Saal statt, zu der nur ein Dutzend Leute erschienen, weil jemand bedauerlicherweise in den Einladungen nicht nur ein falsches Datum genannt, sondern auch eine falsche Adresse angegeben hatte. Versammlungen an der Straßenecke waren ebenso erfolglos, denn sie fanden zur falschen Zeit und an den falschen Orten statt. Parteimitglieder, die erst Feuer und Flamme für die Sache gewesen waren, sahen sich plötzlich kaltgestellt oder bekamen so viele sich widersprechende Anweisungen, daß sie sich nicht mehr zurechtfanden. Die Wahlbroschüren wurden in den Druckereien nicht fertig; nichts klappte.
Sir Wilmot und Aldershot hätten bestimmt den Braten gerochen, wenn sie dort gewesen wären. Aber zum Glück waren sie nicht da. Aldershot war damit beschäftigt, seine politischen Interessen zu wahren, und bereitete sich auf den Kampf um die Wiederwahl in seinem Wahlbezirk vor, während Wilmot mit Gliederschmerzen und Halsentzündung in seinem Haus auf dem Lande im Bett lag. Der Bazillus, den er vor kurzem anscheinend besiegt hatte, war mit einer Menge Freunde zurückgekehrt. Auf diese Weise hatte Bayswater eine Weile nichts zu tun, denn auf dem Lande steuerte Lady Corrison lieber selber ihren Wagen.
Aber selbst so blieb Sir Wilmot auf dem laufenden, bekam Berichte, darunter natürlich auch solche von Bruder Smyce, die stark frisiert waren. Balsam für seine fieberheiße Stirn war die Nachricht, daß Coates in Fairford Cross Wort gehalten und die Nominierung Bundersons, eines ehemaligen Richters, der sich praktisch jeden in der Grafschaft irgendwann einmal damit zum Gegner gemacht, daß er Gesetze lächerlich kleinlich auslegte, durchgesetzt hatte. Von dem Labourkandidaten, dem dortigen Apotheker, einem halb blinden Siebzigjährigen, bekannt als Onkel Bill Badger, war nichts zu befürchten. Es sah jedenfalls so aus, als stehe es um Sir Wilmots Plan sehr gut.
Für die Parteimitglieder und andere in East Battersea, die Anweisungen von Charlie Smyce erhielten, war der Wahlkampf kaum schwungloser als alle früheren.
Da für Mrs. Harris das alles neu war, konnte sie unmöglich ahnen, daß man ihre Kandidatur sabotierte. Sie war ganz zufrieden, im Nieselregen an Straßenecken zu stehen und vier Erwachsene und einem kleinen Jungen ihre Theorien vom guten Leben darzulegen.
Aber am dritten Abend dieses katastrophalen Anfangs geschah etwas sehr Erstaunliches. In einer der Seitenstraßen zwischen der Kings Road und Chelsea Embankment, unweit von der Battersea-Brücke, standen achtzehn Rolls-Royce, einer hinter dem anderen, Stoßstange an Stoßstange, und das Licht der Laternen spiegelte sich in ihren glänzenden Karosserien und im glitzernden Chrom. Es waren die verschiedensten Typen, Limousinen, Coupés, Spezialmodelle. Sie sahen aus, als wären sie für den Prix d’Elégance in Monte Carlo aufgereiht.
Nicht weniger schmuck waren die uniformierten Chauffeure. Viele von ihnen waren in der Farbe ihres Wagens gekleidet, und ihre Stiefel, Gamaschen und Mützenschirme waren fast noch blanker als die Wagen. Sie hatten sich jetzt alle an der Spitze des Zuges versammelt, der von keinem anderen als Bayswater mit Sir Wilmots Golden Cloud Super Phantom angeführt wurde, und Bayswater war es auch, der sie aufrief:
«Trimper?»
«Hier.»
«Beesworth?»
«Anwesend.» «Badgell?»
«Zur Stelle.»
«Timson?»
«Ja.»
«Scudder?»
«Das bin ich.»
«Crump?»
«O. k.»
«Adcock?»
«Jawohl.»
«Peckett?»
«Bereit.»
Und so weiter die Liste hinunter, die er in der Hand hielt, bis er festgestellt hatte, daß keiner fehlte. Sie waren alle alte Freunde von ihm, Mitglieder einer der exklusivsten Bruderschaften
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