Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
ich wußte es.»
    Schweigen in der Telefonzelle. Dann sagte Bayswater: «Aber ich konnte nichts dafür. Sie haben die Sprechanlage in dem Wagen nicht abgestellt, so mußte ich alles hören, was sie sagten.»
    «John Bayswater, wollen Sie damit sagen, daß Sie es die ganze Zeit wußten und es mir nicht gesagt und zugesehen haben, wie ich mich zum Narren machte?»
    Wieder verschlug der Schreck Bayswater die Sprache.
    «Und daß ich wie eine Idiotin vor all meinen Freunden, den Schreibers und dem Marquis dastand und sogar vor dem ganzen Land.»
    Bayswater fand endlich die Sprache wieder. «Ada», rief er in großer Angst, «ich konnte es Ihnen nicht sagen. Verstehen Sie das nicht? Sie waren so begeistert und...»
    «John Bayswater», sagte Mrs. Harris zum drittenmal, «wagen Sie nur nicht, mir noch einmal unter die Augen zu treten!» Und sie hängte ein.
    Es dauerte nicht lange, und es war um sie geschehen. Als sie die Telefonzelle verließ, war sie wie betäubt und erinnerte sich später nicht einmal daran, wie sie nach Hause gekommen war.

14

    Mrs. Violet Butterfield kehrte, nachdem sie mit ihrem kulinarischen Geschick ein exquisites Damen-Mittagessen bereitet hatte, kurz vor vier Uhr nachmittags nach Hause zurück, um sich ein paar Stunden auszuruhen, ehe sie ihren «Abenddienst» antrat. Zu ihrer Überraschung sah sie an gewissen unverkennbaren Zeichen — was zu ihrer zweiten Natur geworden war — , daß Mrs. Harris zu Hause sein mußte.
    Das war erstaunlich, denn zu dieser Zeit mußte die Vertreterin von East Battersea im Unterhaus eine Rede halten.
    Mrs. Butterfields Vorstellung von der Arbeit eines Parlamentsmitglieds stand fest: Es war jemand, der die ganze Zeit damit verbrachte, Reden zu halten, und sie sah ihre Busenfreundin im Geist vor sich, wie sie auf einem Podium stand und eine Rede schwang, die das ganze Haus faszinierte. Sie hoffte, daß sie nicht plötzlich krank geworden war.
    Sie drückte mehrmals auf den Klingelknopf an der Haustür und hörte es drinnen klingeln, aber sie vernahm keine Schritte, die zur Tür eilten. Dann bemerkte sie, daß die Tür nur angelehnt war, was ebenfalls nicht sein sollte, und sie stieß sie auf und ging hinein.
    Und was sah sie? Mrs. Harris saß in Straßenkleidung, Hut und Handschuhen, die Handtasche auf dem Schoß, auf der Kante eines Stuhls und starrte vor sich hin.
    «Ada», rief sie, «was ist? Gehst du heute nachmittag nicht ins Parlament, um eine Rede zu halten?» Ein kaum wahrnehmbares Zusammenzucken bei dem Wort Rede war die einzige Reaktion von Mrs. Harris, die im übrigen so reglos dasaß, als sei sie zu Stein geworden.
    Entsetzt ging Mrs. Butterfield zu ihrer Freundin, beugte sich über sie, um ihr ins Gesicht zu sehen, sah die ausdruckslosen Augen und schüttelte sie in ihrer Angst: «Ada, was ist? Was ist passiert? Kannst du mich nicht hören, kennst du mich nicht, deine Freundin Violet?»
    Mrs. Harris’ Augen flackerten ein wenig, als erkenne sie sie.
    «Ach Gott, ach Gott», jammerte Mrs. Butterfield. «Es ist das Beste, ich stelle gleich Wasser auf.» Was es auch sein mochte, eine heiße Tasse Tee tat offenbar not.
    Noch immer wortlos, trank Ada Harris brav ihren Tee und ließ sich ebenso gehorsam ins Schlafzimmer führen, ausziehen und zu Bett bringen. Dann maß Mrs. Butterfield ihre Temperatur, warf einen Blick auf ihre Zunge und vergewisserte sich, daß ihre Freundin, soweit sie es beurteilen konnte, nicht physisch krank war. Das bedeutete, daß sie eine furchtbare Enttäuschung erlebt haben mußte oder etwas Entsetzliches erfahren hatte. Mrs. Butterfield hatte sie schon einmal so gesehen, nämlich in New York, als ihre Freundin erfahren hatte, daß sie durch ihre sträfliche Unüberlegtheit einen kleinen Jungen, dem sie hatte helfen wollen, ins Unglück gebracht hatte. Tagelang schien sie dann in einem Koma zu liegen, starrte genauso furchtbar stumm vor sich hin, bis ein unerwarteter Besuch von John Bayswater, der für einen Tag von Washington herübergekommen war, sie wieder zu sich gebracht hatte.
    Ach, Bayswater! Was einmal geschehen war, geschah vielleicht wieder. «Und jetzt machst du schön die Augen zu, Liebe, und liegst ganz still», redete Mrs. Butterfield ihr gut zu, zog die Decke höher und strich die Kissen glatt. «Ich will nur schnell etwas bei mir zu Hause erledigen und werde in etwa einer Stunde wieder hier sein. Du hast dann inzwischen vielleicht etwas geschlafen und kannst mir alles erzählen.»
    Sie ging hinaus, ließ die

Weitere Kostenlose Bücher