Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
selber.
Der Sprecher dachte nach, verstand ihr Problem und sagte dann: «Ich glaube, wir werden Ihnen dabei helfen können. Jedenfalls können wir es versuchen.»
Er nahm den Telefonhörer ab und sagte: «Sehen Sie doch einmal nach, ob der Schatzkanzler zufällig in seinem Büro ist.»
Einen Augenblick später, als das Telefon summte und er den Hörer abnahm, nickte er Mrs. Harris zu, sagte: «Wir haben Glück», und dann ins Telefon: «Hallo, Herr Kanzler. Hier der Sprecher. Ich möchte fragen, ob Sie mir helfen können. Hier bei mir ist ein Parlamentsmitglied, das aus dringenden persönlichen Gründen sich um ein Kronamt bewerben möchte, und sie ist in solchen Dingen etwas schüchtern und unerfahren... Ja, eine Dame. Können Sie ihr das Amt geben? Können wir die Sache unmittelbar durch Sie von hier aus regeln?... Ich verstehe, ich verstehe. Ja, ja. Das ist sehr freundlich von Ihnen. Ich bin Ihnen sehr dankbar. Auf Wiedersehn, Herr Kanzler.»
Er hängte ein. «Es hat geklappt», sagte er dann. «Wenden Sie sich, wenn Sie hinausgehen, an meinen Sekretär. Er wird das vorgeschriebene Gesuch für Sie tippen, und Sie unterschreiben dann. Wir schicken es in das Büro des Schatzkanzlers, und man wird Ihnen das Amt geben. Aber ich möchte hinzufügen», schloß er, «daß es mir sehr leid tut, Mrs. Harris.»
Sie merkte, daß er sich erheben wollte, sprang selber schnell auf, stammelte ihr Dankessprüchlein und wollte hinausgehen. Sie war schon auf halbem Wege zur Tür, als etwas sie zwang, sich umzudrehen und, als er vom Schreibtisch aufblickte, zu sagen: «Sie waren sehr gütig, Sir. Darf ich um noch etwas bitten?»
«Ja, was ist es?»
«Dürfte ich nur einmal im Parlament sprechen, ich meine nur kurz? Ich würde nicht viel Zeit dafür brauchen, nur um mich heute abend zu verabschieden, da ich dann das letzte Mal dort bin.»
Der Sprecher glaubte auch diesen Wunsch zu verstehen. Sie wollte etwas mitnehmen, und sei es nur die Erinnerung an eine Jungfernrede, die von jemand gehalten wurde, der wahrscheinlich so kurz wie kaum ein zweiter in der Geschichte des Unterhauses diesem angehört hatte. Aber vor allem bewunderte er die Zähigkeit und den Mut. Diese Frau war kein Feigling. Sie tat nur das, was sie für richtig hielt. Er lächelte und sagte: «Ich glaube, vielleicht ließe sich das machen, wenn gegen Ende der Sitzung nicht zuviel Wirbel ist. Wenn Sie aufstehen und stehenbleiben, werde ich Sie wahrscheinlich sehen können.»
15
Die Kluft zwischen Traum, Phantasie und Wirklichkeit war vielleicht nie größer als in dem Augenblick, da das Ehrenwerte Mitglied für East Battersea zugleich seine Jungfern- und Abschiedsrede hielt.
In ihrem Traum erhob sie sich immer, um zu einem dichtgefüllten Haus über die Fehler der Regierung zu sprechen, wobei sie es durch die Schlichtheit und Überzeugungskraft ihrer Bemerkungen und die Vorschläge, die sie machte, um die Übel des Landes zu heilen, in Bann hielt. Und während sie das tat, blickte sie in die andächtigen Gesichter der Abgeordneten, sah sie zustimmend nicken oder erstaunt den Kopf schütteln. Sie hörte «Hört! Hört!» murmeln und «Wie wahr!» und «Warum haben wir noch nie daran gedacht?» Als sie ihre Rede beendet hatte, vereinten sich alle Parteien in lautem Beifall, und der Antrag, ihr zu danken, wurde eingebracht und einmütig angenommen.
Die Wirklichkeit aber sah anders aus. Ada Harris hielt ihre Rede vor einem fast leeren Haus. Es war nur noch die Zahl von Abgeordneten anwesend, die notwendig war, um eine frühzeitige Vertagung zu beschließen. Sie raschelten mit ihren Papieren, sortierten sie, stopften sie in ihre Aktentaschen und flüsterten mit ihren Nachbarn. Ein einziger Reporter saß einsam auf der Pressetribüne und niemand auf der Zuschauertribüne, denn es war eine besonders ermüdende und uninteressante Sitzung, und das Ende war viel früher als gewöhnlich.
Mrs. Harris wäre vielleicht nie dazu gekommen, ihre Rede zu halten, wäre nicht gegen neun der Sprecher erschienen, um sich kurz mit seinem Vertreter zu unterhalten, und hätte er sich nicht, als er sie dort stehen sah, an den Zwischenfall am Nachmittag erinnert.
Sein geübtes Auge schweifte zum Glück durch den Raum und erblickte die kleine Gestalt. Sie stand schon fast eine Stunde dort. Er ging zu seinem Vertreter und flüsterte ihm ein paar Worte zu, worauf der andere nickte.
Als der langweilige Erguß des sprechenden Abgeordneten endlich zu Ende war, blickte der Sprecher zu
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