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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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kundgetan hatten. An der Haustür klingelte es weiter.
    Mrs. Harris schlüpfte in die Pantoffeln, band ihren Morgenrock zu, strich schnell übers Haar, eilte hinaus und fragte sich dabei, wer es sein mochte. Außer wenn einmal ein Telegramm kam, klingelte es in dieser Gegend nie so früh.
    Zu ihrer äußersten Verblüffung stand, als sie öffnete, der Mensch vor ihrer Tür, den sie nach ihrem kürzlichen und ungerechten Ausbruch gegen ihn am wenigsten zu sehen erwartet hatte — John Bayswater. In seinem grauen Reiseanzug mit dazu passender Mütze sah er äußerst elegant aus, und hinter ihm parkte am Bordstein ein altmodisches, glotzäugiges Monstrum von einem Rolls-Royce, das so groß wie eine Lokomotive aussah und in dessen poliertem Chrom sich die blasse Spätherbstsonne spiegelte.
    Er blickte sie beklommen an, und es schien ihm schwerzufallen, ein Gespräch zu beginnen. Schließlich sagte er: «Ach... guten Morgen, Ada. Ich hoffe, Sie verzeihen mir, daß ich Sie so früh überfalle, aber es ging leider nicht anders...»
    Mrs. Harris war immer noch nicht ganz wach, und Bayswaters Erscheinen zu dieser frühen Morgenstunde konnte nichts Gutes bedeuten.
    «John», rief sie. «Was ist? Ist etwas passiert?»
    «Nein, nein, nein. Ganz und gar nicht. Ich hatte nur Angst, daß Sie, wenn ich vorher anriefe, sofort wieder einhängen würden. Ich hoffe, Sie sind mir nicht mehr böse...»
    Mrs. Harris spürte plötzlich Gewissensbisse. Wie Bayswater auch gehandelt hatte, er hatte es mit der besten Absicht getan. «Ich hätte das nicht sagen dürfen, was ich gesagt habe. Verzeihen Sie mir, John. Wollen Sie nicht hereinkommen?»
    Bayswater machte ein leicht schockiertes Gesicht. «Ich werde im Wagen auf Sie warten. Es könnte Gerede geben...»
    Mrs. Harris lobte innerlich seine taktvolle Sorge um ihren Ruf in der Nachbarschaft, und dann fragte sie sich ebenso innerlich, ob sie richtig gehört habe.
    «Sagten Sie, Sie würden draußen warten? Worauf?»
    Ihr Freund schluckte von neuem und antwortete dann männlich kraftvoll: «Auf Sie! Ich bin gekommen, um Sie wegzubringen.»
    Das war denn doch zu stark. «Mich wegbringen! Wovon reden Sie, John Bayswater? Haben Sie den Verstand verloren?»
    «Nein. Aber Sie werden ihn verlieren, wenn Sie nicht tun, was ich Ihnen sage, wenn Sie nicht hineingehen und einen Koffer packen. Ich habe gestern abend gehört, daß Sie das Parlament verlassen, und ich habe gleich geahnt warum. Haben Sie noch nicht genug von der Presse? Sie können jetzt nicht hier bleiben, Ada.»
    «Das wäre ja Fahnenflucht. Ich habe immer die Suppe ausgelöffelt, die ich mir eingebrockt habe.»
    «Sie haben Ihnen genug angetan, Ada», sagte Bayswater mit einer Leidenschaft, die ihn selbst überraschte und sie noch mehr. «Sie werden Ihnen diesmal das Herz herausreißen. Und das werde ich nicht zulassen.»
    In diesem Augenblick läutete im Hause wieder das Telefon.
    «Da sehen Sie’s», sagte Bayswater. «Das ist bestimmt einer von ihnen. Wenn Sie sich beeilen, können wir auf und davon sein, ehe sie kommen. Ich habe meinen Koffer im Auto.»
    Mrs. Harris begann zu begreifen, was für ein großes Opfer sein Vorschlag für ihn bedeutete und daß sich damit sein eigenes Leben änderte.
    «John, was Sie da sagen, verschlägt mir die Sprache. Ich weiß nicht, was ich antworten soll.»
    «Sagen Sie nichts, sondern machen Sie schnell. Eine kleine Reise ins Ausland wird Ihnen sehr guttun. Die Luft dort soll sehr bekömmlich sein. Sie haben doch wohl noch Ihren Paß?»
    Sie blickte ihn forschend an. «Aber was ist mit Ihrer Stellung, John? Sie haben doch wohl hoffentlich nicht meinetwegen Ihre Stellung verloren?»
    «Glauben Sie, ich würde weiter für Sir Wilmot arbeiten, nachdem er Sie so gemein behandelt hat? Mein Kündigungsbrief hat sich mit einem... aus seinem Büro an mich gekreuzt. Aber ich glaube, meiner war eine Stunde früher abgegangen.»
    «Sie sind in Ihrem eigenen Wagen gekommen», sagte Mrs. Harris, die plötzlich verlegen wurde.
    «Ja», antwortete Bayswater stolz. «Ist er nicht schön?» Und dann fügte er in einem Ton der Hoffnung und zugleich der Wehmut hinzu: «Sie werden ihn auch lieben, wenn Sie ihn erst besser kennen.»
    «Ach, John», sagte Mrs. Harris, denn seine Wehmut und sein Angebot, seine alte Liebe zu dem Auto mit ihr zu teilen, rührten sie, und einen Augenblick sahen sich die beiden stumm an.
    Der Milchmann kam mit seinen klappernden Flaschen vorbei und rief heiter: «Brauchen Sie heute etwas,

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