Ein kleiner Ritter um halb vier
Rosalinde über einen Brief hergemacht, der auf dem Tisch liegen geblieben war.
»Nein!« Papa stürzte herbei und Rosalinde sprang quiekend vom Tisch und verschwand im dunklen Flur. »Der ist wichtig!«
Papa hatte nur wichtige Briefe herumliegen. Das haben Architekten wohl so, denn schließlich planen sie Häuser und da ist alles wichtig. Sogar, wo die Steckdosen angebracht werden.
Papa sammelte eilig die Reste seines wichtigen Briefs ein. »Jetzt zieht euch mal schön den Schlafanzug an«, sagte er schließlich erschöpft.
Theo spürte seinen besorgten Blick auf sich ruhen, als er zum Kinderzimmer trottete.
»Wisse: Ich habe keine Angst, niemals nicht!« Kasimir klappte seine Taschenuhr unruhig auf und zu. »Ich hatte nur große Sorge. Der alte Herzog hat eindeutig gesagt, er will nichts mehr von mir hören! Was blieb mir also? Ein Ritter muss seinem Herrn und Herzog gehorchen!«
Den ganzen Abend hatte Theo auf den kleinen Ritter gewartet, doch Kasimir war nicht zum Vorschein gekommen. Schließlich hatte Theo selbstnicht mehr gewusst, was er denken sollte, und war sich ziemlich lächerlich vorgekommen.
Ein kleiner Ritter auf einem Meerschweinchen!
Kein Wunder, dass Papa ihm nicht glaubte.
Aber was sollte dann aus Mamas Rückeroberung werden?!
Und während Milli in ihrem rosa Bett schon lange tief und fest schlief, war Theo vor allem wütend gewesen. Wütend auf sich und die ganze Welt.
Doch eben hatte ihn ein merkwürdiges Schnarchen geweckt.
Der Ritter hatte seine Rüstung abgelegt und lag friedlich neben seinem Meerschweinchen in der halb zerstörten Legoburg.
Theo hatte doch nicht geträumt!
Zuerst freute er sich. Aber dann merkte er, dass er immer noch ziemlich sauer war.
»Papa glaubt jetzt sicher, ich spinne«, schimpfte Theo, nachdem er Kasimir wach gerüttelt hatte. »Und du wolltest mir doch helfen und ihm Tipps geben, damit Mama zurückkommt.«
»Er hat seinen herrschaftlichen Wunsch und Willen deutlich zum Ausdruck gebracht!« Schlaftrunken schob der kleine Ritter einen roten Legostein zur Seite, der ihm als Kopfkissen gedient hatte. »Er möchte keinen Ritter Kasimir und auch keine Schatzsuche. Er hat andere Sorgen, wichtige Depeschen und Briefe. Deswegen musste ich ja nachts im Geheimen handeln und zuschlagen.« Kasimir gähnte herzhaft.
Theo zuckte zusammen. »Nachts im Geheimen?«
Der kleine Ritter spähte durchs Zimmer. »Welch schöne Fahne weht dort über dem Schwesterbett. Rot, wenn ich mich nicht irre.«
»Das ist keine Fahne, das ist Millis Strumpfhose«, zischte Theo. »Sie hat sie gestern auf die Lampe geschmissen und dort ist sie hängen geblieben.«
Kasimir schaute auf seine Taschenuhr. »Halb vier! Mein vorletzter Tag bricht an, morgen ist schon Sonntag. Gut, dass du mich geweckt hast, ich muss weitermachen, bevor der Herzog aufwacht.«
»Weitermachen?« Theo wurde es heiß und kalt. »Wo warst du in der Nacht?«
»Welch Frage! Suchen! Aufspüren! Graben! Bei Tageslicht ist es ja verboten! Auf meiner Karte ist ein schwarzer Kasten verzeichnet! Ich habe heute Nacht im großen Saal, in dem wir zu speisen undzu grillen pflegen, mehrere schwarze Kästen erspäht! Doch ach – sie waren alle ohne Schatz! Wenn ich nur die Schrift auf der Schatzkarte lesen könnte!«
»Im großen Saal?« Theo schwante Übles. »Du darfst den Schatz nicht einfach so alleine suchen! Es geht doch um Mama! Du hilfst Papa und ich helfe dir , dass Papa das Schatzsuchen erlaubt und du ihn findest! Das war doch die Abmachung! Du musst dich nur trauen, dich zu zeigen!«
»Des Herzogs Wille ist mein Wille auch«, erwiderte Kasimir und setzte sich seinen viel zu kleinen Helm auf den Kopf. »Wenn er sagt, er will keinen Ritter sehen, dann bekommt er keinen zu sehen! Bei meiner Ritterehre! Äh – und nun entschuldige mich bitte. Die Zeit ist knapp und die ganze Burg liegt noch im Schlaf! Dies ist meine Stunde!«
Mit diesen Worten stieg er auf sein Meerschwein und galoppierte, um Würde bemüht, durch die angelehnte Kinderzimmertür. Theo hörte ihn noch leise vor sich hin singen:
»Herzeloide mein
Es wird ’ne Freude sein
Wenn du wirst morgen mein …«
Theo sprang auf. »Warte!«
Milli räkelte sich in ihrem Bett. »Theo, bist du das?«
»Ja«, sagte Theo schnell, »ich bin es nur.«
»Ich dachte, Mama«, sagte Milli schlaftrunken.
»Nein«, sagte Theo, »die ist ja … weg. Und ich geh jetzt auch rüber …«
»Heute hat mir ein Traum geantwortet«, murmelte Milli, bevor Theo dem Ritter
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