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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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Himmel hing über dem metallisch anmutenden Meer, das von Windböen gepeitscht wurde. Vor und hinter ihnen ragten die plumpen Umrisse der anderen Schiffe des Konvois auf und bliesen Rauchwolken in den Nebel, und ringsumher kreisten unablässig die Zerstörer und Korvetten, bedrohlich wie eine Meute Jagdhunde. Sie stellten zwar keine Gefahr dar, wie Nancy wusste. Die eigentliche Gefahr lauerte unsichtbar unter der aufgewühlten Oberfläche – die U-Boote, die sich unbemerkt nähern und einen Torpedo abschießen konnten, der unterhalb der Wasserlinie ein tödliches Loch in den Rumpf reißen würde. Dennoch wirkten die Geleitschiffe bedrohlich, da sie ständig daran erinnerten, dass sich der Konvoi in gefährdetem Gebiet befand. Beim geringsten Anzeichen, dass irgendetwas nicht stimmte, wurden die Geleitschiffe aktiv, und ihre Geschütze und Torpedos dröhnten Nancy in den Ohren und ließen jeden Nerv ihres Körpers erzittern.
    Nachts war es noch viel schlimmer. Eingeschlossen in ihrer winzigen Kabine wie eine Sardine in der Büchse, fühlte Nancy sich so verwundbar wie noch nie zuvor. Die Angst nahm ein Ausmaß an, das sie nie für möglich gehalten hätte, und gewann zusätzliche Berechtigung durch die Tatsache, dass bereits ein Schiff mit Freiwilligen torpediert und alle an Bord ertrunken waren. Die Mädchen redeten nicht darüber, aber jedes trug dieses Wissen stets mit sich herum.
    Das erste Mal wurde Nancy von Geschützfeuer geweckt, als sie sich noch von ihrer Seekrankheit erholte. Sie hatte tief und fest geschlafen, und als sie unsanft geweckt wurde, dachte sie zunächst, die Kabine werde von dem blendend weißen Blitz eines tropischen Gewitters erhellt. Einen Moment lang wusste sie gar nicht, wo sie war, und sie verstand auch nicht, was geschah, doch dann spürte sie das Hämmern der Schiffsmotoren, und gleich darauf brachten die dröhnende Explosion eines Torpedos und das Knattern von Geschützfeuer ihr wieder zu Bewusstsein, wo sie sich befand.
    Nun war ihr nicht mehr bloß im Magen schlecht, sondern ihr ganzer Körper schien von Übelkeit erfüllt, der Übelkeit der Angst. Einen Moment lang lag sie regungslos da und spürte, wie ihr das Herz gegen die Rippen pochte und Galle in ihrer Kehle emporstieg. Es schien ihr, als sei die SS Culloden Queen ein leichtes Ziel, riesig und nicht zu verfehlen. Starr lag sie da und wartete auf das Zischen eines Torpedos durch das trübe Wasser, auf das quälende Kreischen von berstendem Metall, das Splittern von Holz. Nancy hatte keine Ahnung, wie es klang, wenn man von einem Torpedo getroffen wurde, doch ihre Vorstellungskraft arbeitete fieberhaft.
    Ein Rascheln in der Koje über ihr erinnerte sie wieder daran, dass sie nicht allein war. »Bist du wach?«, fragte sie flüsternd in die flackernde Dunkelheit und war sich gleichzeitig bewusst, wie blöd diese Frage war. Bei diesem Lärm konnte niemand schlafen.
    Â»Ja, du auch?« Kay ließ sich aus der Koje herab, ihre Beine in dem Seidenpyjama berührten Nancys Arm. »Gott, ich könnte eine Zigarette vertragen!« Sie wühlte in ihrer Tasche, die auf dem kleinen Spind stand. »Willst du auch eine?«
    Â»Nein, danke.« Selbst zu besten Zeiten schmeckte es Nancy nicht, nachts zu rauchen; es hinterließ ein unangenehm pelziges Gefühl im Mund. Doch jetzt revoltierte ihr immer noch empfindlicher Magen schon beim bloßen Gedanken an eine Zigarette.
    Die Dunkelheit vor dem Bullauge draußen wurde wieder von einem Blitz erhellt, und schauriges bläuliches Licht fiel in die Kabine.
    Â»Also, ich kann nur sagen …«, Kay schwieg einen Moment, um ihre Zigarette anzuzünden, »… wenn es hart auf hart kommt, hoffe ich bloß, dass ich ein Rettungsboot mit dem netten Leutnant teilen kann, der aussieht wie Clark Gable.« Sie hockte sich auf die Kante von Nancys Koje, vornüber gebeugt, damit sie nicht mit dem Kopf an ihre eigene Koje stieß. »Ein Bild von einem Mann, wenn du mich fragst!«
    Nancy stützte sich auf ihrem Kissen auf; ihr Magen schien sich mit jeder Welle umzudrehen. Sie schluckte und wartete, bis das Schlingern nachließ. »Ja, ich hab schon gemerkt, dass du dem schöne Augen machst.«
    Â»Wie wahr!« Kay warf den Kopf zurück, und ihr blondes Haar leuchtete im unterbrochenen Licht der Explosionen auf. »Wir sollten das Leben lieber genießen,

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