Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
ihrem Inneren sammelte sich ein Schrei, der aber ihre Kehle nicht erreichte.
»Du siehst blass aus. Ist dir nicht gut?« Bongarts lächelte und ließ seine Hand langsam sinken.
Carina konnte sehen, dass er sein Messer fester fasste. Sie sah nur diese eine Bewegung. Die Bilder, die ihre Augen wiedergaben, waren gestochen scharf. Als würden sie der Welt extra Konturen geben.
Ihre Hände wanderten langsam zu ihrem Mund. Sie musste würgen, aber sie brachte nicht einmal Spucke hervor.
»Ich finde, du stellst dich ein wenig an, Carina. Soo hässlich bin ich doch nun auch wieder nicht, oder?« Bongarts strich sich mit der Hand über sein ungewaschenes Haar.
Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte diese Bilder nicht sehen.
»Na, siehst du. Wir haben eine Menge Zeit. Willst du uns nicht etwas zu essen kochen? Ich habe Hunger. Und ich habe uns ein paar schöne Steaks mitgebracht. Saftig und blutig. So wie ich sie mag.«
Ihr Würgen kehrte zurück. Ihre Augen hatten sich an seinem Mund förmlich festgesaugt. Wie konnten diese Lippen Worte formen, die sie nicht hörte?
»Nun komm endlich rein, du kleine Schlampe.« Der schmeichelnde Ton war einem rauen Krächzen gewichen. »Ich will nicht, dass man uns so sieht.«
Mit einem schnellen Griff packte er ihren Arm und zog sie in das Halbdunkel des Wohnzimmers. Carina Bauer hatte nicht die Kraft, sich ihm zu widersetzen. Auf nackten Füßen stolperte sie über die Kante der Schiebetür, aber sie spürte den Schmerz nicht.
»Was soll ich davon halten, Jakisch?« Robert Mayr klemmte seine Daumen hinter die Lederhosenträger. »Sind die Rheinländer nicht in der Lage, ihren Fall alleine zu lösen? Ich habe gedacht, dass die Kollegen ein bisschen mehr Grips im Kopf haben. Müssen wir denn alles für die Preußen übernehmen?«
Carsten Jakisch war noch am Vorabend losgefahren und hatte mitten in der Nacht seine alte Wohnung erreicht. Der Schlafmangel machte ihm zu schaffen gemacht. Nach einem vergeblichen Anruf bei Steffi und einem schnellen Frühstück, das nur aus einer halben Flasche Mineralwasser und einem trockenen Brötchen vom Bäcker um die Ecke bestanden hatte, stand er nun mitten in Mayrs Büro wie zum Rapport bei einem bayerischen Regimentskommandeur.
An seinem Vorgesetzten hatte sich in der kurzen Zeit, die er in Mönchengladbach zugebracht hatte, eine erstaunliche Entwicklung vollzogen. Nicht nur, dass er eine nagelneue »Krachlederne« trug, auf die die Bezeichnung »Vintage« bestens zutraf. Nein, Mayr hatte an der Wand neben der Bürotür nicht nur das übliche Porträt von Ministerpräsident Horst Seehofer hängen, sondern daneben ein Bild von König Ludwig II . Fehlte nur noch, dass unter dem kitschigen Druck eine Kerze brannte.
»Was ist, Jakisch?« Mayr hatte Jakischs Blick bemerkt. »Wir sollten uns viel mehr auf die Tradition unseres Landes besinnen, nicht wahr?«
Jetzt knallt er gleich die Hacken zusammen, prophezeite Jakisch.
»Ja ja, schauen’s nur weiter so ungläubig unter Ihrem roten Haarschopf hervor, Kollege Jakisch. Wir Bayern können den Preußen noch eine Menge beibringen. Also, was gibt’s denn nun wirklich zu tun?«
Carsten Jakisch hatte sehr wohl bemerkt, dass Mayr das Wort »Kollege« besonders betont hatte. Aber das war ihm in diesem Augenblick völlig egal.
»Sie sollten mir genau zuhören, Herr Mayr.« Carsten Jakisch sah seinem Vorgesetzten in die Augen und gab seiner Stimme eine feste Note. »Es ist gut möglich, dass sich unter unseren Augen ein Drama abspielt.«
»Drama? Ja, sind wir denn in Oberammergau?« Mayr wippte auf seinen Fußballen auf und ab. »Ha? Und stehen Sie nicht so deppert rum, Mann. Setzen Sie sich endlich.«
Carsten Jakisch blieb stehen. Was war nur mit Mayr los? Die bevorstehende Hochzeit schien ihn völlig zu überfordern. Oder Mayr war einfach übergeschnappt. Das kam vor bei Polizeibeamten, die zu lange im Dienst waren oder auch nur an die falschen Therapeuten geraten waren. Er schwor sich, niemals so zu werden wie Mayr.
»Wir müssen nach Rottach fahren. Dort braut sich was zusammen.« Jakisch wiederholte mit nahezu genau den gleichen Worten nun schon zum dritten Mal die Erkenntnisse der Mönchengladbacher Mordkommission.
»Jakisch! Halten Sie mich für blöd? Das haben Sie mir nun schon mindestens fünfmal erklärt. Ein bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf.«
Mayr wippte wieder.
»Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
»Wer sagt das? Ha!?«
»Also, dieser Leuchtenberg, und dann gibt’s da
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