Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
angewidert.
»Danke, dass du mitdenkst, Ernst«, meldete Ecki sich zu Wort. »Aber du weißt selbst, dass wir das im Personalrat schon Dutzende Male durchgekaut haben. Wir stecken personaltechnisch in der Klemme. An der Situation wird sich vorerst aber nichts ändern.«
»Ich habe nicht vor, meinen Männern noch mehr aufzuhalsen. Das kann man gut finden oder nicht. Basta. Soll der PP das Problem lösen, ich kann es jedenfalls nicht. Beim besten Willen.« Ernst-Gert Degen verschränkte die Arme vor der Brust und sah Frank herausfordernd an.
Frank konnte am steigenden Geräuschpegel im Lageraum ablesen, dass Degen den Nerv getroffen hatte. Natürlich wusste er, dass er von den Kollegen viel verlangte, nur war er jedes Mal aufs Neue entsetzt darüber, dass es mit der Solidarität früherer Zeiten längst vorbei war. Jeder im Präsidium suchte nur noch seinen eigenen Vorteil. Und Degen war einer von der schlimmsten Sorte. Dabei wusste Frank, dass Degen es nur darauf anlegte, sich an ihm oder wem auch immer reiben zu können.
Frank sah in die Gesichter seiner Kollegen, die um den großen Besprechungstisch saßen. Er konnte genau sehen, dass sie wie bei einem Boxkampf nur darauf warteten, dass einer zu Boden ging. Aber den Gefallen würde er ihnen nicht tun.
»Okay, Ernst-Gert kann nicht. Das kann ich verstehen. Wer übernimmt dann freiwillig Zusatzarbeit?« Frank sah jedem Einzelnen in die Augen.
Er kam sich vor wie in der Schule. Jeder senkte den Blick in der Hoffnung, dass der Kelch an ihm vorübergehen möge.
Heinz-Jürgen Schrievers drückte sich zufrieden von seinem Schreibtisch ab und streckte die Beine aus. Die Lager seines Bürostuhls quittierten die strapaziöse Bewegung mit einem unwilligen und empörten Quietschen. Der Archivar nahm seine Brille ab und legte sie auf seinen Bauch. Einigermaßen zufrieden sah er auf seine braun karierten Filzpantoffeln. Dann ließ er seinen Blick über das Alpenpanorama schweifen, das ein mäßig talentierter Genremaler vor mehr als sechzig Jahren in Öl auf die Leinwand gebracht hatte und das in seinem Büro hing, seit er das Bild auf der Suche nach verwertbarem Trödel auf einem Dachboden gefunden hatte. Es erinnerte ihn in seinem unaufgeräumten Büro auf anrührende Weise an seine Jugend und daran, dass es außer Polizeiarbeit noch etwas anderes gab im Leben. Ein ähnliches Gemälde hatte in der geräumigen Wohnküche seines entfernt verwandten Onkels und wohlhabenden Milchbauern in Hinsbeck-Hübeck gehangen.
Es hatte ihn einige Mühe gekostet, aber nun hatte er das Dossier für Robert Mayr zusammengestellt. Noch am Nachmittag würde es mit der Post Richtung Allgäu gehen. Und spätestens ab dann hatte er Zeit, seine Kollegen Frank und Ecki bei ihrer Suche nach Julia Dürselens Mörder zu unterstützen.
Er hatte in seinen Aktenschränken aus grau gestrichenem Blech im Grunde nicht allzu lange suchen müssen. Ernst Büschgens war nämlich seit einigen Jahren Mitglied des Polizeibeirates. Von dort aus hatte er weiterrecherchieren können. Büschgens hatte über drei Legislaturperioden für die CDU im Stadtrat gesessen. Außerdem war er der Vorsitzende des Vergabeausschusses gewesen, eine der Schlüsselpositionen, die die Christdemokraten seit Langem besetzt hielten. Büschgens war in der Vergangenheit mehrfach wegen seiner angeblichen Verstrickungen in dubiose Grundstücks- und Baugeschäfte in die öffentliche Kritik geraten. Er sei jemand, der Politik und eigene wirtschaftliche Interessen auf das Wirkungsvollste verknüpfen konnte, wurde vom politischen Gegner immer wieder mal über die Medien kolportiert.
Allerdings war jeder Verdacht von ihm abgeperlt wie Regen an einer frisch geputzten Fensterscheibe. Und das trotz hartnäckiger Bemühungen der Opposition, Licht in die mannigfaltigen Verflechtungen zwischen Stadtverwaltung und CDU zu bringen. Dabei war es ein offenes Geheimnis, dass mancher Politiker die Stadtverwaltung als Selbstbedienungsladen empfand und auch entsprechend nutzte.
Ernst Büschgens war nicht erst nach dem Tod seiner zweiten Frau vor zwei Jahren öffentlich stets alleine aufgetreten. Eine frühe erste Ehe mit einer Jugendliebe aus seiner Zeit in der Jungen Union war schon bald geschieden worden. Kinder hatte Büschgens keine. Dafür pflegte er einen engen Kontakt zu den verschiedenen Sozialinitiativen, in denen er sich medienwirksam regelmäßig betätigte. Er hatte sich dabei ganz bewusst, wie er nicht müde geworden war zu betonen, in der
Weitere Kostenlose Bücher