Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
Single.«
Na, wenigstens muss der Kollege beim Anblick einer Leiche nicht gleich kotzen, dachte Robert Mayr halb anerkennend, halb missmutig. Nun hatte er nicht nur den Fall des toten Büschgens am Hals, sondern auch noch eine hübsche Dunkelhaarige aus dem Kreis Viersen.
»Wenn die Spurensicherung hier fertig ist, möchte ich wissen, was die Frau bei sich hatte, als sie ihrem Tod entgegengefahren ist. Handschuhfach, Kofferraum. Danach ihre Unterkunft – Hotel, Pension, Ferienwohnung, Campingplatz und so weiter. Sie muss doch auch einen Personalausweis bei sich haben.«
Carsten Jakisch deutete den Arbeitsauftrag als Bestätigung, dass er noch im Team war. Er lächelte. Steffi würde Augen machen, wenn er ihr am Abend von seiner ersten Leiche erzählte. Eine tote Frau am Rottachsee, und er war einer der Ermittler. Die Dinge begannen sich zu entwickeln.
Heinz-Jürgen Schrievers sprach den Namen noch einmal langsam und deutlich aus. »Samantha Kurzius. 23. Juli ’84. Solo, Schwalmtal-Hehler. Ja, geboren in Hehler.« Das war ja gerade so, als läge Kempten jenseits des Äquators. Trotz klarer Verbindung schien dieser Jakisch ihn nur schwer zu verstehen. »Samantha. Ich sagte doch: Samantha.« Herrgott noch mal! Diese Bayern waren aber auch so was von schwer von Begriff. »Keine Ursache. Tschüss.« Der Archivar der Mönchengladbacher Polizei wollte schon auflegen. »Was haben Sie gemeint? Ihre Großeltern kommen auch aus Schwalmtal?« Schrievers’ Miene hellte sich urplötzlich auf. »Aus Amern? Wie heißen denn deine Großeltern, Kollege? – Wie? – Ja. Kenn ich.«
Was folgte, war ein halbstündiger Exkurs in die Schrieversche Ahnengalerie unter besonderer Berücksichtigung sämtlicher nachbarschaftlicher Kontakte. Am Ende glühten nicht nur die Leitungen zwischen Kempten und dem Niederrhein, sondern auch die Wangen der beiden Gesprächspartner. Wie tief doch ähnliche Wurzeln gehen können.
Heinz-Jürgen Schrievers hatte mit dem Telefonat einmal mehr seine unerschütterliche Überzeugung bestätigt bekommen, dass Niederrheiner überall auf der Welt zurechtkommen. Sei es nun im Dschungel Papua-Neuguineas oder im Oberallgäu. Dass lediglich Jakischs Großeltern mütterlicherseits aus Schwalmtal kamen, der Rest aus Polen eingewandert war, spielte in diesem Zusammenhang keine Rolle. Schon gar nicht auf diese Entfernung.
Der Archivar lehnte sich zufrieden in seinem Bürostuhl zurück. Der Tag war doch längst nicht so schlimm, wie er am Morgen begonnen hatte. Da nämlich hatte er festgestellt, dass er seine Butterbrotdose auf dem Küchentisch hatte liegen lassen. Ausgerechnet heute, wo seine Gertrud ihm doch seine geliebte grobe Leberwurst extra dick auf das frische Rosinenbrot gestrichen hatte.
»Du grinst wie ein Honigkuchenpferd.« Frank Borsch hatte seinen Kopf zur Archivtür hineingesteckt und sah Schrievers abwartend an.
»Die Welt steckt voller Überraschungen.« Der Archivar machte eine einladende Handbewegung.
Darauf hatte Frank nur gewartet. »Ich brauch mal eine Auszeit. Hast du einen Kaffee für mich?« Er setzte sich.
Schrievers schüttelte den Kopf und deutete auf den leeren Glasballon auf seiner Anrichte. »Ich habe heute alles zu Hause vergessen: meine Brote und den frischen Kaffee. Dabei war Gertrud gestern extra in Venlo und hat neuen mitgebracht.«
»Und trotzdem hast du gute Laune?«
Heinz-Jürgen Schrievers erzählte seinem Freund und Kollegen von seiner unerwarteten telefonischen Begegnung.
»Was gibt es denn Neues aus Kempten?«
»Die Kollegen Mayr und Jakisch kommen nicht weiter. Jakisch ist jedenfalls froh, dass er nun wenigstens mal den Namen der Toten hat.«
»Die Auswertung des Autos?«
»Läuft. Sie haben nicht viel gefunden. Allerdings steckten im Kasten für das Ersatzrad ein paar CD s. Was drauf ist, wissen sie noch nicht. Sieht nach Musik- CD s aus.«
»Musik? Ist das alles? Kein Koffer, kein Laptop?«
»Samantha Kurzius ist ohne Gepäck gereist, wie es scheint. Sie muss erst kurz vor ihrer Ermordung an diesem See angekommen sein. Mayrs Kollege hat recherchiert. Kurzius war nirgends gemeldet. Sie war also ein Just-in-time-Kopfschuss sozusagen.« Schrievers schnaufte. »Aber ich sollte vielleicht nicht so zynisch sein. Gertrud meint auch, dass unser Beruf uns abstumpfen lässt.«
Frank nickte.
»Wenn ich schon meine Brote vergesse, muss das ein Alarmsignal sein.«
Wie konnte der Dicke immer nur ans Essen denken? Aber plötzlich verspürte auch Frank ein
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