Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
er weitersprach, als würde er als Mediziner eine Röntgenaufnahme ausgiebig studieren. Dann hellte sich seine Miene unvermittelt auf.
»Dann sagen Sie es ihnen jetzt.«
»Klar, Chef. Sofort.« Jakisch spürte, dass er wieder auf die Straße der Gewinner einbiegen konnte, und wollte zum Telefon greifen.
»Langsam, Jakisch, langsam.« Mayr blinzelte freundlich.
»Ich, ich verstehe nicht?«
»Was gibt’s denn da nicht zu verstehen?« Das Blinzeln wurde langsam zu einem breiten Lächeln.
»Ja, also.« Jakisch zog die beiden Worte unschlüssig und abwartend in die Länge.
»Sie fahren natürlich persönlich.«
»Ich? Wohin denn?«
»Na, an den Niederrhein, Jakisch. An den Niederrhein. An die Wiege Ihrer Großeltern!« Mayrs Gesicht war jetzt nur noch ein einziges breites Grinsen.
»Ich, ich«, stotterte der Kriminaloberkommissar.
Genau: Du, du, dachte Robert Mayr, Leiter der Kemptner Mordkommission. Du fährst, und ich bin dich los. Und kann ungestört meinen Fällen nachgehen. Und heiraten.
»Wo habt ihr diesen Jakisch denn untergebracht?« Ecki konnte es nicht glauben, dass ein Kollege aus dem Allgäu eigens zu ihnen in die Theodor-Heuss-Straße gekommen war, um die neuesten Erkenntnisse persönlich mitzuteilen.
»Laumen hat ihn im Heidehaus einquartiert.«
Frank reichte seinem Kollegen die Liste, die Jakisch mitgebracht hatte. »Sie haben sie auf einer CD mit Musikdateien gefunden. Sie entspricht genau der in unseren Unterlagen.«
Ecki blätterte durch die wenigen Seiten. »Woher hat Samantha Kurzius diese Liste, oder besser: Wie kommt diese Liste in ihren Wagen?«
»Sieh dir erst dieses Foto an.« Frank hielt Ecki das Bild hin, das Jakisch der Liste beigelegt hatte.
Ecki warf nur einen kurzen Blick auf die Aufnahme, um sie dann wieder zurückzugeben. »Kenn ich doch schon: Büschgens. Und hier, Julia Dürselen.«
»Stimmt. Was bedeutet das? Immerhin hat der Kollege aus dem Allgäu das Foto mitgebracht.«
»Das könnte bedeuten, dass Büschgens auch Samantha kannte.« Ecki blätterte erneut durch die Liste, nun las er genauer.
»Julia und Samantha haben sich gekannt. Vielleicht ist Kurzius auch anschaffen gegangen. Vielleicht hat Julia Dürselen Samantha nur die Liste und die Fotos übergeben, wie gesagt, als eine Art Lebensversicherung.«
Ecki zog die Stirn kraus und setzte sich an seinen Schreibtisch. »Für Samantha eine tödliche Lebensversicherung.«
»Wer hat so ein großes Interesse an dieser Liste, dass er dafür zwei Morde begeht? Und warum bestellt er Samantha ins Allgäu, um sie zu töten?«
»Um uns auf die falsche Spur zu locken?«
»Oder weil der Schlüssel zu unseren Morden tatsächlich in diesem Moosbach liegt.« Frank spielte mit seinem Bleistift, den er, einem stummen Rhythmus folgend, auf die Schreibtischunterlage auftippen ließ.
»Ach ja, das Allgäu«, sinnierte Ecki.
»Hinter dem Postkartenkitsch ist die Idylle vermutlich mehr als brüchig.«
»Deine Poesie bringt uns auch nicht weiter.« Ecki klang ironischer, als er in Wirklichkeit sein wollte.
»Dann sagen wir es geradeheraus: Der feine Ratsherr Ernst Büschgens hatte hinter seiner Fassade mehr versteckt, als gut für ihn war.«
»Geht es noch ein wenig deutlicher?«
»Alle Politiker haben Dreck am Stecken.«
»Und Büschgens hat dafür bezahlt und die beiden jungen Frauen auch.«
Ecki musste an das Gesicht von Samantha Kurzius denken. Der Blick wie ungläubiges Staunen. Glatter Durchschuss. Vermutlich Hochgeschwindigkeitsmunition. Ihr Kopf war weitgehend intakt, bis auf den Ein- und Austrittsbereich.
»Wir werden Büschgens’ Leben umgraben. Der Schlüssel muss dort liegen. Das Allgäu war vielleicht doch nur die Kulisse für die Morde.« Frank sah zum Fenster hinaus. Er sah die Fotos von Moosbach vor sich, die der junge Kommissar aus Kempten mitgebracht hatte. Im Rottachsee spiegelte sich das Oberallgäu, so als wollte es um jeden Preis den Pokal für das beste Klischee einer heilen und frommen Welt gewinnen: grüne Wiesen, braune Kühe und dahinter hohe Berge. Und doch hatte irgendwo dort der Tod auf Kurzius und Büschgens gelauert.
Es klopfte. Carsten Jakisch stand in der Tür. Mit seinem brennend roten Haarschopf und dem runden Gesicht hatte er etwas von einem Racheengel. Allerdings sah er alles andere als vom Schicksal geschickt aus.
»Liebe Kollegen«, er setzte sich umständlich auf einen Stuhl und sah bekümmert auf Franks Poster mit den Händen, »habt’s ihr für mich nicht eine andere Pension?
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