Ein König für San Rinaldi
sicher brauchte Kadir keine Hilfe, wenn es darum ging, den Menschen zuzuhören und sich verständlich zu machen. Er setzte seine diplomatischen Fähigkeiten geschickt ein, um klarzumachen, dass ein jeder an der Zukunft San Rinaldis mitarbeiten oder wenigstens in sie investieren sollte.
Beinahe bedauerte Natalia, wie wenig er sie brauchte. Je deutlicher er seine Qualitäten als Regent zur Schau stellte, desto klarer wurden Natalia die Tatsachen. Dabei hatte sie ihn nur geheiratet, weil sie dachte, damit etwas für das Wohl ihres Landes zu tun. Nun deutete alles darauf hin, dass Kadir ihre Unterstützung nicht brauchte und durchaus fähig war, aus eigener Kraft die Liebe und den Respekt des Volkes zu gewinnen.
Heute Abend hatte Natalia mitbekommen, wie viele der Superreichen ihr Wort gaben, Kadir bei seinen Plänen zu unterstützen. Sie wollten ihm helfen, die Insel in eine Zukunft zu führen, in der nicht nur die Investoren selbst, sondern auch das Volk von San Rinaldi profitierte.
„Die bedeutendste Investition überhaupt“, hatte Kadir verkündet, „ist nicht das Geld, das Sie auf die Insel bringen. Ich spreche von der Investition, die von den Menschen San Rinaldis, vor allem von den jungen Menschen geleistet wird. Sie verhelfen ihnen dazu, ihre Fähigkeiten auszubilden. Dadurch werden sie die von Ihnen zur Verfügung gestellten Mittel vielfach zurückzahlen. Und so schließt sich der Kreis, der die Zukunft dieses Landes sichert.“
Natalia überraschte nicht, dass Kadir für diese Ansprache Standing Ovations erhielt.
„Alle sind sich einig“, berichtete die Zofe, während sie später das reich bestickte Kleid aufhängte, „dass wir uns glücklich schätzen können, einen so klugen und attraktiven Kronprinzen zu haben. Sie werden bestimmt wunderschöne Kinder haben.“
Natürlich sah Kadir umwerfend aus. Natalia waren andere Eigenschaften jedoch wichtiger, damit sie eine richtige Ehe hätte führen können. So freundlich wie möglich schickte Natalia die Zofe weg.
Ihr neues Leben war ausgefüllt, dennoch fühlte sie sich eingeengt und fand keine Ruhe. Vielleicht weil sie Kadir insgeheim um die zahlreichen Herausforderungen beneidete, die vor ihm lagen?
Heute Abend hatte sie erkannt, welche Visionen er verwirklichen wollte. Und Natalia sehnte sich danach, ihm dabei eine echte Partnerin zu sein – in jeder Hinsicht.
Das wäre durchaus möglich gewesen, hätte er sich nicht vorschnell eine Meinung über sie gebildet. Für ihn war Natalia nur eine Frau, der er nicht vertrauen durfte. Dabei teilten sie viele Gemeinsamkeiten und hätten erfolgreich eng zusammenarbeiten können.
Mühsam hielt sie die Tränen zurück, ignorierte den Schmerz und ging in ihr Badezimmer. Seit sie wieder auf San Rinaldi waren, teilte Kadir zwar das Bett mit ihr, hielt aber viel Abstand. Heute Nacht würde er sie bestimmt wieder nicht berühren. Er machte seine Drohung wahr und hielt sich von seiner Ehefrau fern, bis eindeutig feststand, ob sie schwanger war.
Seufzend legte sie sich die Hand auf den flachen Bauch.
Schon während des Rückflugs hatte sie etwas geahnt. Doch sie hatte warten müssen, bis sich die Gelegenheit ergab, einen befreundeten Arzt im Haus ihres Vaters zu treffen. Die ärztliche Schweigepflicht wahrend, würde er die Neuigkeit für sich behalten. Nun hatte Natalia Gewissheit.
Sie erwartete ein Kind von Kadir. Und es stand fest, dass es nicht nach der Hochzeit in Hadiya, sondern schon davor in Venedig passiert war. Eigentlich war das unmöglich, Kadir hatte doch ein Kondom benutzt.
Tief in Gedanken, hielt sie sich länger als sonst im Bad auf. Kadir lag schon im Bett, als sie ins Schlafzimmer kam.
Bequem gegen einige Kissen gelehnt, lag er da und las in einigen Unterlagen. Im gedämpften Licht, das auf seine breiten Schultern und den muskulösen Oberkörper fiel, schimmerte seine Haut wie Bronze. Natalia bekam Herzklopfen. Wegen des schlechten Gewissens war sie nicht nervös, immerhin verschwieg sie ihm die Schwangerschaft. Nein, Natalia beunruhigte sein Anblick, weil Kadir immer nackt schlief.
Er musterte sie, während sie langsam auf das Bett zuging. Ihr dünner seidiger Umhang verbarg zwar die weiblichen Rundungen ihres Körpers, reizte jedoch Kadirs Fantasie. Ihm gingen mit einem Mal höchst sinnliche Vorstellungen durch den Kopf.
„Ich muss dir danken. Du hast dich bei dem heutigen Empfang perfekt präsentiert“, bemerkte er und beobachtete, wie sie sich auf die Bettkante setzte, ihm den Rücken
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