Ein königlicher Skandal
gelassen.
Rosa versuchte, nicht an den Unfall zu denken, der drei Mitglieder der Königsfamilie das Leben gekostet hatte. Max’ flüchtige Berührung tröstete sie. Die ganze Familie hielt seit dem Unfall stärker zusammen. Trotzdem half Rosa am meisten, dass Max bei ihr war.
„Bestimmt belasten Großvater auch die vielen Probleme mit der Nachfolge.“ Sie seufzte.
„Ja, bestimmt“, stimmte er zu. „Dazu kommt noch die Herzoperation. Zwar hat er die gut überstanden, aber bei einem Neunzigjährigen sind die Ärzte natürlich besonders vorsichtig.“
Nachdenklich warf sie ihm einen Seitenblick zu. „Willst du König werden?“
„Es geht nicht darum, ob ich will“, entgegnete er. „Ich muss König werden, weil einfach kein anderer mehr da ist. Es sei denn, du willst den Job übernehmen.“
Rosa schüttelte so heftig den Kopf, dass sich eine Locke aus dem eleganten Knoten löste. Während sie die Haarsträhne zurückstrich, sagte sie unbefangen: „Ganz abgesehen davon, dass es auf San Rinaldi noch nie eine Herrscherin gegeben hat, wäre ich absolut todunglücklich als Königin.“
Bevor er etwas erwiderte, ließ er einige Sekunden verstreichen. Mit leiser Stimme murmelte er: „Aber wenn es dazu käme, wärst du bereit, die Verantwortung zu übernehmen. Dann würdest du dein Bestes geben.“
Plötzlich lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Max betonte die Worte wie eine düstere Prophezeiung. „Es wäre meine Pflicht.“
„Genauso sehe ich das auch“, meinte er. „Also ist es völlig sinnlos, sich zu beklagen. In allen Königsfamilien steht die Pflicht an erster Stelle, so ist es nun einmal. Und für mich wird es bald akut. Das Schicksal schlägt manchmal seltsame Wege ein.“
Sie erkannte, dass er sich nicht selbst bemitleidete. Max war fest entschlossen, seinen Weg zu gehen. Er brauchte und wollte kein Mitgefühl. Im Gegenteil, mit klugem Verstand und eisernem Willen würde er sich seiner Aufgabe stellen. Damit hatte er bisher immer Erfolge erzielt.
Weil sie nicht wusste, wie sie ihm ihr Verständnis zeigen sollte, fragte sie: „Wie wirst du deine Geschäfte führen, wenn du König bist?“
Diesmal zögerte er länger mit der Antwort. „Gar nicht“, sagte er schließlich so unbekümmert, als wäre es nicht weiter wichtig. „Das Gesetz schreibt vor, dass der König keinen Beruf ausübt. Es sollen eben keine Interessenskonflikte entstehen. Also werde ich alles verkaufen. Aber das bleibt bitte vorerst unter uns, ja?“
„Selbstverständlich“, versicherte sie, ohne zu zögern. Insgeheim freute sie sich sehr, weil er sich ihr anvertraute. Als König würde Max seine unternehmerischen Fähigkeiten nur selten einsetzen können. Bestimmt würde die Arbeit ihm fehlen. „Dann hast du trotzdem noch die Weinindustrie“, sagte sie, ohne nachzudenken.
„Dafür habe ich schon genug getan“, erwiderte er. „Die Winzer können in Zukunft selbst für sich sorgen. Die Schwierigkeiten mit dem Mehltau haben sie zwar verunsichert. Sobald das gelöst ist, werden sie aber gut zurechtkommen.“
„Du hast ihnen den richtigen Weg gezeigt“, warf sie sachlich ein.
Max warf ihr ein flüchtiges Lächeln zu. „Mir war von Anfang an klar, dass ich mit meinem Job keine Verpflichtung auf Lebenszeit eingehe. Schon bevor das Problem mit der Thronfolge auftauchte, war ich bereit, meine Aufgaben abzugeben. Natürlich werde ich mich immer für die Weinindustrie interessieren, allein schon weil ich eigene Weingüter habe.“
Bisher hatte der Wagen mit den abgedunkelten Scheiben keine Aufmerksamkeit erregt. Das änderte sich, als der Fahrer auf einer breiten Straße vor einem bekannten Restaurant der Insel hielt. Max’ Leibwächter stieg aus und öffnete die hintere Wagentür. Sofort drehten Passanten, vor allem Touristen, sich neugierig zu ihnen.
Max half Rosa beim Aussteigen. Er griff nach ihrem Arm, und bei seiner Berührung pochte ihr Herz augenblicklich schneller. Damit niemand etwas ahnte, bemühte Rosa sich sehr um einen langsamen Gang und eine gerade Haltung.
Beherrschung, befahl sie sich. Obwohl er sie kaum berührte, spürte Rosa seine Kraft. Max hatte eine natürliche Autorität, war ein brillanter Geschäftsmann und konnte körperlich mit jedem Weinarbeiter mithalten. Seine Ausstrahlung zog Rosa in seinen Bann.
Im Lokal lief alles glatt. Der Besitzer führte sie an einen Tisch, der eine gewisse Privatsphäre garantierte. Sie konnten an einem kleinen Springbrunnen und hohen Topfpflanzen
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