Ein Koenigreich fuer die Liebe
sie immer tröstete. Außerdem konnte sie bestimmt nicht einschlafen, wenn sie sofort ins Bett ging.
In ihrem bodenlangen seidenen Morgenmantel, den dazu passenden Pantoffeln und mit offenem Haar eilte sie nach oben in Alessandros Suite. Obwohl es bereits spät war, würde Alice noch auf sein, denn sie legte sich normalerweise erst in den frühen Morgenstunden hin.
„Ich gehöre zu den Leuten, die ungefähr nur fünf Stunden Schlaf brauchen”, hatte sie Sofia einmal anvertraut. „Das ist eine äußerst nützliche Eigenschaft, wenn man Kindermädchen ist.”
Und als Sofia das Kinderzimmer betrat, dessen Tür geöffnet war, saß Alice tatsächlich im angrenzenden Wohnzimmer und las. Sofort stand sie auf und kam herein, um Sofia mit einem angedeuteten Hofknicks zu begrüßen.
„Guten Abend, Hoheit”, sagte sie. „Hat Ihnen die Oper gefallen?”
„Ja, es war sehr schön, Alice. Ich habe es richtig genossen.” Mit einem Kopfnicken deutete Sofia auf die Tür zu Alessandros Schlafzimmer. „Was macht der kleine Teufel? Ist er artig gewesen?”
„Ja, er war ganz artig”, erwiderte Alice lächelnd. „Und jetzt schläft er wie ein Murmeltier.”
„Ich will nur mal kurz nach ihm sehen. Sie können ruhig weiterlesen. Und keine Angst, ich passe auf, dass ich ihn nicht wecke.”
Auf Zehenspitzen ging Sofia in Alessandros Schlafzimmer, wobei sie die Tür aufließ, Das Nachtlicht auf der Kommode tauchte den Raum in ein sanftes Licht, und Alessandro, der auf dem Rücken la g, die Ärmchen über dem Kopf, schlief offenbar fest, denn er atmete ruhig. Leise ging sie an sein Bett und betrachtete glücklich sein gerötetes Gesicht. Er war das Beste, was ihr je passiert war, der Mittelpunkt ihres Lebens.
Alessandro sah Damiano sehr ähnlich. Er hatte das gleiche pechschwarze Haar und die gleichen dunklen Augen, die wie bei seinem Vater gelegentlich auffunkelten und sein hitziges Temperament verrieten.
Früher hatte diese auffallende Ähnlichkeit zwischen den beiden ihr manchmal ziemlich zu schaffen gemacht. Immer wenn Sofia ihren kleinen Sohn angeschaut hatte, hatte sie sich daran erinnert, dass sie Damiano verloren hatte. Doch diese Phase hatte sie überwunden.
Alessandro war ein Individuum, und sie wollte dafür sorgen, dass er nicht genauso treulos wurde wie sein attraktiver Vater!
„Mein süßes Baby!”
Während sie ihn betrachtete, ließ sie den vergangenen Abend noch einmal im Geiste Revue passieren, und zwar insbesondere die Unterhaltung auf der Rückfahrt. Wieder verspürte sie Panik, denn ihr war klar, dass sie nie wieder mit Damiano schlafen durfte -
trotz des verräterischen Verlangens, das sie verspürt hatte, oder gerade deswegen. Wenn er es erst richtig geweckt hatte, würde sie ihm nicht mehr widerstehen können.
Es fiel ihr bereits schwer genug, diese Farce mitzumachen, zu der er sie gezwungen hatte.
Es würde sie ihre ganze Kraft kosten, keine Gefühle mehr für ihn aufkommen zu lassen.
Doch auf keinen Fall durfte sie mit ihm schlafen. Allein bei der Vorstellung daran wäre sie am liebsten weggelaufen und hätte sich irgendwo versteckt. Wenn sie mit ihm schliefe, würde sie ihm wieder genauso hilflos ausgeliefert sein wie früher.
Aber was war mit Alessandro? Stirnrunzelnd betrachtete Sofia sein friedliches Gesicht.
War es fair, wenn sie ihn dazu zwang, als Einzelkind aufzuwachsen? Noch vor wenigen Jahren hätte sie diese Frage eindeutig mit nein beantwortet, weil sie sich immer eine große Familie gewünscht hatte. Schließlich hatte sie selbst zwei Brüder und drei Schwestern, die alle älter waren als sie. Um Alessandro gegenüber ihre Pflicht als Mutter zu erfüllen, musste sie ein Opfer bringen, das sie womöglich zerstörte.
Da ihr Herz schneller klopfte, zwang sie sich, ruhig zu atmen. Nein, sie musste stark sein.
Sie musste gegen Damiano kämpfen und zu ihrem Wort stehen, dass sie ihm nie wieder ein Kind gebären würde. Außerdem musste sie eine Möglichkeit finden, diese Farce zu beenden und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass er seine Drohung in bezug auf Alessandro nicht wahr machte. Eines war jedenfalls sicher: Die Reise nach London, die „romantischen zweiten Flitterwochen”, wie er es genannt hatte, würde sie nicht antreten.
Da sie ganz in Gedanken versunken war, bemerkte sie die dunkle Gestalt nicht, die sie von der anderen Tür aus beobachtete. Damiano war nämlich genau wie Sofia nach oben gekommen, um noch einmal nach seinem Sohn zu sehen. Als er sie am Bett stehen
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