Ein Königreich für einen Kuss!
Zeit wie eine Einheimische sprechen.“
„Ich weiß nicht …“ Dennoch freute sie sich über sein Lob. „Aber ich werde mich bemühen. Auf alle Fälle empfinde ich durchaus passio für meine Aufgabe hier.“ Dennoch blickte sie etwas besorgt auf Vascos Hand, die immer noch auf dem Buch lag. Natürlich konnte er nicht wissen, dass schon das Fett seiner Haut dem alten Papier Schäden zufügen konnte, und sie wollte ihn auch nicht belehren. „Ich habe vor, erst die Buchdeckel und den Buchrücken wieder herzurichten. Dann werde ich mir die einzelnen Seiten vornehmen, die in einem erstaunlich guten Zustand sind.“
„Was wohl bedeutet, dass man bisher zu wenig darin gelesen hat.“ Er schlug eine Seite um und begann wieder zu lesen. Stella hörte gebannt zu. Obgleich es hier um Geschichte ging, war der Text in einer Art Versmaß verfasst. Offenbar ging es um irgendeine Schlacht, um Lanzen und Pferde und wehende Fahnen. Als Vasco aufhörte zu lesen, brauchte sie ein paar Sekunden, um wieder in die Gegenwart zurückzufinden.
„Wunderschön“, stieß sie atemlos hervor, als sei auch sie in der Schlacht mitgeritten.
„Ich danke Ihnen, dass Sie mich auf diese Kostbarkeiten aufmerksam gemacht haben. Bücher haben bisher für mich keine große Bedeutung gehabt.“
„Sie sind sicher mehr ein Mann der Tat.“ Er sah tatsächlich immer so aus, als sei er gerade vom Pferd gesprungen. „Dann gefällt Ihnen das Buch bestimmt. Hier ist viel von Heldentaten die Rede.“
„Ich weiß. Und von passio. “ Er griff nach ihrer Hand. Immerhin berührt er jetzt nicht mehr das empfindliche Papier, dachte sie aufatmend. Andererseits wurde ihr wieder heiß, als er ihre Hand in beide Hände nahm, und sie zitterte innerlich vor Erregung. Aber wahrscheinlich war das einfach nur eine freundliche Geste, in die sie viel zu viel hineininterpretierte. Der Mann hatte diese Aura von Sinnlichkeit und Dramatik, die auf Frauen unwiderstehlich wirkte. Zumindest auf Frauen wie Stella, die schon seit drei Jahren – wahrscheinlich sogar schon länger – keine sexuelle Erregung mehr gespürt hatte.
Schnell entzog sie ihm die Hand und trat einen Schritt zur Seite. „Ich möchte Ihnen noch ein anderes Buch zeigen.“ Sie zog einen schwarzen Lederband heraus, dessen Seiten lose waren, da die Bindung zerschlissen war. Mit bebenden Fingern reichte sie Vasco den schweren Folianten und sah ihn dabei nicht an. Ganz bestimmt grinste er leicht, weil er sehr genau wusste, welche Macht er über sie hatte. Das Flirten war ihm zur zweiten Natur geworden. Dagegen musste sie sich unbedingt wappnen. Wie wäre es mit einer der glänzenden Rüstungen, die sie in der großen Halle gesehen hatte? Bei dem Gedanken musste sie unwillkürlich lächeln.
„Was ist denn so komisch?“, wollte er sofort wissen.
„Ich habe mir gerade vorgestellt, wie ich wohl in einer Rüstung aussehen würde.“
„Das können wir leicht herausfinden. Als Kind habe ich selbst Rüstungen anprobiert, sogar auf dem Pferd, was gar nicht mal so unbequem war.“ Er lachte. „Aber heute passen sie mir nicht mehr. Unsere Vorfahren waren kleiner als wir. Obwohl …“, er blickte sie kurz von oben bis unten an, „die Rüstung von Francesca müsste Ihnen passen. Kommen Sie.“
Verblüfft sah sie ihm hinterher und folgte ihm dann kopfschüttelnd. War es ihm ernst damit? Sollte sie wirklich eine Rüstung anprobieren? Irgendwie hatte die Idee etwas Aufregendes. Wann hatte man schon mal die Gelegenheit, sich in jemanden aus einer anderen Zeit hineinzuversetzen? Vielleicht würde sie jetzt erfahren, wie ein nervöser achtzehnjähriger Graf sich fühlte, während er sich zur Schlacht ankleiden ließ.
Schnellen Schrittes versuchte sie Vasco einzuholen. Zugegeben, sie war nicht gerade passend für eine Schlacht angezogen. Der lange Rock behinderte sie beim Laufen. Würde Vasco erwarten, dass sie das Kleid auszog? Immerhin hatte Karen sie davon überzeugt, dass sie neue Unterwäsche brauchte. Denn ganz sicher würden die Diener ihre Koffer auspacken und dann nur den Kopf schütteln, wenn sie die billige Baumwollware erblickten – so lautete zumindest Karens Theorie. Zwar hatte Stella gewisse Zweifel, ob königliche Gäste wirklich diese kleinen Teile aus Seide und Spitze trugen, aber sie fühlte sich gut darin.
Vasco führte sie durch einen nur schwach erleuchteten Flur und stieß dann die Tür zu einer Art Waffenkammer auf. Staunend sah Stella sich um, nachdem er einen Schalter betätigt
Weitere Kostenlose Bücher