Ein Königreich für einen Kuss!
Nachteil ist der Schmutz. Ich hätte duschen sollen, bevor ich zu Ihnen kam, aber ich konnte nicht warten.“
Wieder stieg dieses starke Verlangen in ihr auf, und sie musste sich konzentrieren, damit sie in ihren High Heels nicht stolperte. Jetzt bog er nach rechts in einen breiten Gang ab, dessen Wände über und über mit Ornamenten geschmückt waren. Auch der Boden war mit kunstvollen Mosaiken verziert. Erstaunt blieb sie vor einem prächtigen Torbogen stehen und wies auf das Wappen über der Tür. „Geht es hier in das königliche Schlafgemach?“
„Erraten.“ Er machte eine ritterliche Geste. „Bitte, treten Sie ein.“
Da er immer noch den Arm um sie gelegt hatte, blieb ihr gar nichts anderes übrig. Der Raum war sicher sechs Meter hoch. Auf einem Podest stand ein großes Bett. Zwischen den vier geschnitzten Holzpfeilern hingen schwere Vorhänge. Auf allen vier Seiten des Raums standen große Kandelaber mit brennenden Kerzen, die erstaunlich viel Licht verbreiteten.
„Inzwischen wurde die Elektrizität erfunden. Haben Sie schon davon gehört?“, konnte sich Stella nicht verkneifen zu fragen.
Vasco lachte. „Doch, irgendwie schon. Aber diese neumodischen Erfindungen sind schnell wieder überholt. Ich halte mich lieber an das, was alt und erprobt ist.“ Ungehemmt knöpfte er sein Hemd auf und zog es aus. Der Anblick dieses prachtvollen Männerkörpers verschlug Stella die Sprache. Als er dann auch noch anfing, sich die Hose aufzuknöpfen, wandte sie sich schnell ab. „Ich warte wohl lieber draußen.“
„Nicht nötig. Ich bin gleich fertig.“
Er spielte mit ihr, das war ihr klar. Er spürte genau, dass sein Anblick sie erregte. Doch diese Genugtuung würde sie ihm nicht geben. Sie straffte die Schultern und blieb abgewandt stehen. „Lassen Sie sich Zeit.“
Nach einer kleinen Ewigkeit trat er wieder neben sie. Auch in der schwarzen Hose und dem kragenlosen cremefarbenen Hemd sah er viel zu gut aus. „Ich bin fertig. Und bereit, Sie zu Ihrer Bibliothek zu begleiten.“
Meine Bibliothek? Offenbar wollte er damit sagen, dass sie für die Dauer ihres Aufenthalts die Bibliothek als ihr Refugium betrachten sollte. Wunderbar, das war ihr nur recht.
Vasco nahm sie bei der Hand, und gemeinsam gingen sie den Gang hinunter. Wieder wurde ihr bewusst, wie groß er war. Selbst mit den hohen Absätzen reichte sie ihm gerade bis zur Wange. Vor der Bibliothek löste sie sich von seiner Hand, stieß die schwere Tür auf und schaltete die Hängelampen ein, die ein helles Licht auf den langen Arbeitstisch warfen. Sie wies auf das Ende des Tisches, wo sie bereits einige Bücher gestapelt hatte, die dringend restauriert werden mussten. Einen großen Folianten, dessen Ledereinband nur noch in Fetzen vorhanden war, hatte sie beiseitegelegt.
Beinahe zärtlich strich Vasco über den Einband. „Das ist die Geschichte von Montmajor.“
„Geschrieben im Jahre 1370.“ Stella lachte. „Eigentlich erstaunlich, dass es da bereits so viel zu schreiben gab.“
„Wir haben schon immer gern über uns gesprochen.“ Er lächelte amüsiert. „Und offenbar auch gern über uns gelesen.“ Dabei schlug er das Buch mit einer schnellen Handbewegung auf, und Stella wäre fast in Ohnmacht gefallen. Du liebe Zeit, dieses Buch war sechshundertfünfzig Jahre alt! Damit musste man vorsichtig umgehen. Doch als er mit seiner tiefen warmen Stimme vorzulesen begann, vergaß sie schnell ihre Sorge. Katalanisch, die Sprache war ihr nicht vertraut, auch wenn sie eine ganze Menge verstand. Doch der Stolz, mit dem Vasco die alten Texte las, machte alles wett. Es war eine Freude, ihm zuzuhören.
Nach dem ersten Absatz hob er den Kopf. „Können Sie das verstehen?“
„Ein bisschen. Ich muss unbedingt Ihre Sprache lernen. Spanisch und Französisch verstehe ich ziemlich gut. Dies scheint mir mit beiden Sprachen zu tun zu haben.“
„Stimmt. Ich werde Ihnen Katalanisch beibringen.“
„Da haben Sie sich allerhand vorgenommen.“
„Wir werden Wort für Wort vorgehen. Hm …“, er legte sich einen Zeigefinger auf die sinnlichen Lippen, „was ist das Wichtigste im Leben?“
„Gesundheit?“, schlug Stella vor.
„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Leidenschaft. Passio. “
„Passio“, sprach sie gehorsam nach. Das war das Wichtigste? Sicher nicht für die armen Bauern aus dem vierzehnten Jahrhundert, die kaum genug zu essen gehabt hatten.
„Sehr gut“, lobte Vasco ihre Aussprache. „Ich bin sicher, Sie werden in kurzer
Weitere Kostenlose Bücher