Ein koestliches Spiel
sich zu ihrer vollen Größe auf und starrte geradeaus auf seine Livree, bemüht, unbeeindruckt und selbstsicher zu wirken, als besuche sie jeden Tag fremde Herren in ihren Häusern. Fremde herzogliche Herren. Fremde herzogliche Einsiedler.
Der Blick des Butlers wanderte zu Prudences nervöser Zofe Lily, die rot wurde und auf die weißen Stufen des Londoner Stadthauses des Duke of Dinstable starrte. Der Butler wandte seine Aufmerksamkeit wieder Prudence zu.
„Und Seine Gnaden erwartet Sie, Miss?“, erkundigte sich der Butler mit unendlich gelangweilter Stimme.
Prudence bemühte sich im Gegenzug, ebenfalls unendlich gelangweilt zu wirken. Das war gar nicht so einfach, solange ihr Herz so hastig klopfte wie eines dieser von Herrn Mälzel erfundenen Metronome, aber notwendig. Langeweile, so hatte sie seit ihrer Ankunft in London gelernt, war chic. Je gelangweilter sie aussah, desto weltgewandter würde sie erscheinen, und sie konnte sehen, dass nur die mondänste junge Dame von diesem Butler vorgelassen würde.
Und außerdem roch er modrig. Keinesfalls war sie gewillt, sich von einem modrig riechenden Butler einschüchtern zu lassen. Sie zog eine Augenbraue hoch und musterte ihn in vornehmer Überraschung. „Ich glaube, Seine Gnaden wird nicht erfreut sein, mich zu verpassen.“
Der Butler zögerte.
„Kommen Sie“, erklärte Prudence bestimmt. „Es regnet, und meine Zofe fängt an zu frieren.“
Der Butler schaute Lily an, die, diskret von Prudence angestoßen, gehorsam erschauerte.
„Nun gut, Miss, wenn Sie im grünen Salon warten wollen, werde ich Seine Gnaden von Ihrer Anwesenheit unterrichten.“ Er hielt die Tür auf, und Prudence trat mit einem erleichterten Seufzer ein.
Wortlos Lily bedeutend, sich auf eine Bank in der Eingangshalle zu setzen, nahm er Prudence Hut, Regenschirm und den feuchten Umhang ab und führte sie in einen großen, im ägyptischen Stil eingerichteten Raum.
„Wenn Sie hier warten wollen, Miss.“ Der Butler verbeugte sich und verließ das Zimmer.
Prudence schaute sich auf der Suche nach einer passenden Sitzgelegenheit um. Die Wahl fiel ihr nicht leicht. Das Möbelstück, das am meisten ins Auge stach, war ein grün-goldenes Sofa aus Ebenholz, das seltsamerweise wie Kleopatras Barke geformt und mit einem kunstvoll geschnitzten Kopfstück versehen war, das eine Wasserlandschaft zeigte, komplett mit Wasserlilien, Flussdelfinen und sich krümmenden Nattern. Das andere Ende war teilweise vergoldet und wie die Spitze am Schuh eines Sultans nach oben gebogen. Die Füße sahen wie die eines Krokodils aus.
Es war nicht die Sorte Sofa, auf der man züchtig Platz nehmen konnte; es lud einen vielmehr dazu ein, sich zu rekeln. Sie konnte keinen ihr unbekannten Duke treffen, während sie sich auf dem Sofa rekelte. Vielmehr brauchte sie jede Unze Würde und Haltung, die sie aufbringen konnte.
Vorsichtig setzte sie sich auf einen geschnitzten Ebenholzstuhl mit vergoldeten Armlehnen, die in fauchenden Löwenköpfen endeten. Prudence wartete.
Sie saß so züchtig und damenhaft, wie es ihr nur möglich war, strich ihr Kleid und die Handschuhe glatt, versuchte ihren Herz-schlag mit schierer Willenskraft zu verlangsamen. Der schakalköpfige Anubis und der falkenköpfige Horus starrten sie von einer Kommode aus an. In der Nähe stand ein Schemel, dessen vier Löwenfüße geheimnisvollerweise weiter oben in die Oberkörper von unsittsam bekleideten Frauen übergingen. Sie versuchte, sich Großvater in diesem Raum vorzustellen. Er würde einen Anfall bekommen, da war sie sich sicher. Der Gedanke munterte sie auf.
Nie in ihrem ganzen Leben hatte sie etwas so Ungehöriges getan. Einmal abgesehen von ihrer heimlichen Verlobung mit Phillip. Aber für eine unverheiratete junge Dame war es schlicht unerhört, uneingeladen einen ihr unbekannten Herrn in seinem Heim aufzusuchen. Großonkel Oswalds Kutscher war sogar schockiert gewesen, als sie sich nur nach dem Weg zum Haus des Dukes erkundigt hatte. Das war offensichtlich etwas, wonach junge Frauen noch nicht einmal fragten.
Eine Sphinx starrte von der Wand stumm auf sie herab. Mit ihren Fingern klopfte Prudence nervös auf ihr Retikül. Es war das Retikül aus Pappmaschee, ein wenig schief, nachdem Großvater es in seiner Wut beschädigt hatte, und Prudence lieb und teuer. Es passte zu dem Raum, denn es war wie ein ägyptischer Sarkophag geformt und sorgfältig in Blau, Grün, Gold und Schwarz angemalt.
Grace würde sich freuen, dieses Zimmer zu
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