Ein koestliches Spiel
eine Antwort, und zwar jetzt! Warum haben Sie nicht mit ihrem Vormund gesprochen wie ein Mann, der nichts zu verbergen hat?“
Prudence öffnete den Mund, um es zu erklären.
„Du sei still, Mädchen. Ich will es von ihm selbst hören, verflucht! Er ist der Frage lange genug ausgewichen.“ Er wandte sich an den Duke. „Kommen Sie, Sir! Eine Erklärung, wenn ich bitten darf. Warum haben Sie nicht einfach offen um ihre Hand angehalten, wie ein echter Mann?“
Es entstand eine kleine Stille, während der Duke über die Frage nachdachte. Prudence hielt den Atem an.
„Ich war schüchtern“, verkündete der sechs Fuß große, vollkommen schamlose Mann schließlich. Er atmete scharf ein, als ihm ein spitzer weiblicher Ellbogen in die Seite gerammt wurde.
Prudence trat entschlossen vor. „Großonkel Oswald, mir sind nun die Augen geöffnet worden. Ich möchte nicht länger verlobt sein mit diesem ... diesem ...“
„Schuft“, schlug der Duke halblaut vor.
„Schuft“, griff sie seinen Vorschlag auf. „Ich habe mich in ihm getäuscht. Mit sechzehn war ich zu dumm, es zu sehen, aber jetzt, da ich eine erwachsene Frau bin ... “
„Herrlich erwachsen“, murmelte eine tiefe Stimme neben ihr. „Ich könnte niemals einen Mann heiraten, der nicht den Mumm hat, vor Großvater zu treten ... “
„Nicht Großvater auch noch!“ Der nichtswürdige Schuft stöhnte theatralisch. „Was für ein erbärmlicher Feigling ich doch gewesen bin!“
„Ja“, stimmte sie ihm mitleidlos zu. „Und jetzt ist es zu spät dafür, denn der arme Großvater liegt ... “
„Friede seiner Seele“, warf er fromm ein.
„... krank im Bett!“, fuhr Prudence unbeeindruckt fort. „Und deswegen ist es ihm nicht möglich, Besucher zu empfangen.“ Sie wandte sich entschlossen zu Großonkel Oswald um. „Auf jeden Fall sind mir die Augen geöffnet worden bezüglich der charakterlichen Mängel Seiner Gnaden ..."
„Nach all dieser Zeit dachte ich, du seiest gewillt, über diese Mängel hinwegzusehen“, murmelte der Duke unverbesserlich. „Sag jetzt nicht, sie seien dir gar nicht aufgefallen? Ich bin erschüttert, zutiefst getroffen.“
Prudence presste die Lippen erneut zusammen, rang das in ihr aufsteigende Lachen energisch nieder und fuhr fort: „Ich kann mich unmöglich an einen Mann binden, der so ein trauriger Feigling ist.“
„Nicht traurig, ehrlich. Meistens sogar ziemlich fröhlich ..."
„Und der darüber hinaus“ - sie warf ihm einen warnenden Blick zu - „eine eindeutig leichtfertige Einstellung zu den ernsten Dingen des Lebens beweist.“
„Wovon eines Großonkel Oswald ist“, merkte der schreckliche Mann neben ihr an. „Er ist beängstigend ernsthaft, nicht wahr? Könnte meiner Meinung nach ein bisschen Aufheiterung vertragen.“
Prudence hüstelte, um ihre Erheiterung zu kaschieren. „Großonkel Oswald, ich muss feststellen, dass bei näherer Betrachtung dieser Herr hier vollkommen ungeeignet ist, ganz abgesehen davon, dass er ..." Sie zögerte.
„... sich wie eine Vogelscheuche kleidet? Und ein unrasierter Flegel ist?“, versuchte der Duke ihr mit leiser Stimme zu helfen.
Sie schenkte ihm keine Beachtung.
„Cognac am frühen Morgen“, schlug er halblaut vor.
Da griff Prudence zu. „Ein Mann, der so früh am Tag schon alkoholische Getränke zu sich nimmt, könnte niemals der Richtige für mich sein!“
Großonkel Oswald zog die Brauen zusammen und erwog ihre Worte. „Ja, das mag alles stimmen, und ich verstehe, was du meinst.“ Er warf dem Duke einen finsteren Blick zu, worauf dieser sogleich niedergedrückt aussah. So übertrieben niedergedrückt, dass Prudence wieder Gelächter in sich aufsteigen fühlte. Sie bedachte ihn mit einem mahnenden Blick. Der Schuft zwinkerte ihr zu.
„Wagen Sie es nicht, meiner Großnichte so zuzuzwinkern, Sie vermaledeiter Schurke!“, fuhr ihn Großonkel Oswald an. „Sie ist nicht irgendein lockeres Frauenzimmer, dem Ihresgleichen zuzuzwinkern hat Plötzlich schien ihm wieder einzufallen, dass der unrasierte, nachlässig gekleidete Flegel ein Duke war, weshalb er hinzufügte: „Duke hin oder her.“
„Verzeihung?“, sagte eine leise Stimme von der Türschwelle.
Prudence und Großonkel Oswald drehten sich verwundert um. In der Tür stand ein sorgfältig gekleideter Mann mittlerer Größe. In vielerlei Hinsicht schien er das genaue Gegenteil des Dukes. Während der Duke hochgewachsen und eher schlaksig war, war dieser Herr eher untersetzt und stämmig.
Weitere Kostenlose Bücher