Ein koestliches Spiel
Und während der Duke dunkel, nachlässig gekleidet und unrasiert war, war der andere Herr geschniegelt und gebügelt, sein Haar ordentlich frisiert und seine Kleider makellos und frisch. Er sah aus, als sei er etwa dreißig.
„Morgen, Edward“, begrüßte ihn der Duke mit einem breiten Grinsen.
„Guten Morgen, Gideon“, antwortete der Herr. „Aus diesem Zimmer drang Lärm. Wäre es zu viel verlangt, wenn ich dich bitte, mir den Grund dafür zu verraten?“
„Es sind Privatangelegenheiten, Sir“, begann Großonkel Oswald. „Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ..."
Der Gentleman ignorierte ihn. „Gideon?“, wiederholte er.
„Jetzt reicht’s aber“, platzte Großonkel Oswald der Kragen. „Für wen, zum Teufel, halten Sie sich eigentlich, dass Sie Erklärungen verlangen, obwohl ich Ihnen gesagt habe, es handele sich um eine Privatangelegenheit?“
Der Gentleman drehte sich zu ihm um. „Für wen, zum Teufel, ich mich halte?“, sagte er mit kühler Stimme. „Ich, werter Herr, bin Edward Penteith, Duke of Dinstable, und dies hier ist mein Heim. Und wer, wenn ich fragen darf, sind Sie?“
4. Kapitel
Sie ist so halsstarrig wie eine Allegorie am Ufer des Nils.
R.B. Sheridan
Die ruhig gesprochenen Worte schienen im Raum widerzuhallen.
Großonkel Oswald vergaß einen Moment lang, den Mund zu schließen, dann stotterte er entrüstet: „ Wa... Was, zum Teufel, meinen Sie damit, Sie seien der Duke of Dinstable?“
Der sorgfältig gekleidete Mann hob nur eine Augenbraue, aber es war die Sorte Mienenspiel, die man nur erben konnte von Generationen von herzoglichen Vorfahren mit arroganten Augenbrauen. Großonkel Oswald benötigte keinen weiteren Beweis. „Wer, verflixt noch einmal, ist dann dieser Kerl?“, wollte er verärgert wissen.
Der Duke hob wieder eine Augenbraue. „Erlauben Sie mir bitte, Ihnen meinen Cousin Lord Carradice vorzustellen. Und Sie sind ...?“
„Lord Carradice!“, rief Großonkel Oswald, und vor Entsetzen drohten ihm die Augen aus dem Kopf zu treten. „Lord Carradice? Himmel, ich ... ich habe von Ihnen gehört!“
Lord Carradice verneigte sich. Es war eine perfekte, sehr artige Verbeugung, dachte Prudence entrüstet, trotzdem schwangen darin eine Reihe weiterer Dinge mit - Spott, Gleichgültigkeit, Belustigung. Wie konnte er es wagen, ihrem Großonkel gegenüber so eine Verbeugung zu machen? Überhaupt - wie konnte er es wagen, sie so hereinzulegen! Sie betrachtete ihn finster.
„Entzückt, Ihre Bekanntschaft zu ma...“
Großonkel Oswald fiel ihm ins Wort. „Von wegen entzückt! Ich habe alles gehört, was über Sie gesagt wird - Sie sind ein berüchtigter Schürzenjäger! Ein zwielichtiger Schurke. Ein Lump, wie er im Buche steht!“
„Sie haben von mir gehört“, erwiderte Lord Carradice mit sichtlicher Befriedigung und verbeugte sich erneut.
Prudence bekämpfte den Drang zu kichern angesichts so schamlosen Verhaltens. Stattdessen starrte sie ihn wütend an.
„Wie können Sie es wagen, mich in Bezug auf Ihre wahre Identität zu täuschen!“ Großonkel Oswald wandte sich an den Duke. „Ist Ihnen bewusst, Euer Gnaden, dass dieser ... dieser ..."
„Schuft“, beeilte sich Lord Carradice, ihm beizuspringen, „Vogelscheuche, unrasierter Flegel, Unhold, zwielichtiger Schurke.“
„... dieser verkommene Übeltäter“, fuhr Großonkel Oswald unbeirrt fort, „die Unverfrorenheit besessen hat, sich mir - hier in diesem Raum - als Duke of Dinstable vorzustellen?“
Der Duke blickte fragend zu seinem Cousin.
„Wenn man es genau nimmt, habe ich das nicht“, widersprach Lord Carradice sanft.
„Aber ...“, setzte Großonkel Oswald an.
Lord Carradice hielt eine Hand in die Höhe. „So unritterlich es auch sein mag, ich muss dennoch darauf hinweisen, dass es Ihre Großnichte war, die uns vorgestellt hat.“ Er wandte sich an Prudence. „Prudence? Das ist dein Stichwort, denke ich.“ In seinen Augen tanzte Belustigung, was seine aufgesetzt ernste Miene Lügen strafte.
Der Schuft! Prudence fasste ihr Retikül fester. Es machte ihm sichtlich großen Spaß, sie in Verlegenheit zu bringen. Voller Berechnung hatte er sie auf die falsche Fährte gelockt und genoss es jetzt unverhohlen, sie im Netz zappeln zu sehen. Die Tatsache, dass sie es verdiente, milderte ihre Erbitterung nicht. Am liebsten hätte sie ihm etwas in das hübsche Gesicht geschleudert.
Kein Wunder, dass er nicht im Mindesten besorgt gewesen war, als sie ihm die falsche Verlobung gebeichtet
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