Ein koestliches Spiel
Aufmerksamkeit galt der Wirkung der Kräuter. „Ich ... ich werde nach den Erfrischungen sehen. Bitte entschuldigt mich einen Augenblick, Großonkel Oswald, Euer Gnaden.“ Und damit lief sie aus dem Zimmer.
Großonkel Oswald runzelte die Stirn. „Ich weiß gar nicht, was in das Mädchen gefahren ist. Der Butler kann das sehr wohl selbst tun. Was sie wohl denkt, wofür wir die Köchin, Dienstmägde und Lakaien haben, das weiß ich nicht!“ Den Kopf schüttelnd fuhr er fort: „Euer Gnaden, darf ich Ihnen meine anderen Großnichten vorstellen? Dies ist Miss Charity Merridew, die Zweitälteste.“
Mit ausdrucksloser Miene beugte der Duke sich über Charitys ausgestreckte Hand. „M...Miss Charity.“
„Dann haben wir hier noch die Zwillinge, Miss Hope und Miss Faith.“
Der Duke rührte sich nicht. Er hielt immer noch Charitys Hand und starrte sie an. Charity wurde rot und zog sachte an ihrer Hand.
„Miss Hope und Miss Faith“, wiederholte Großonkel Oswald mit lauterer Stimme.
Der Duke zuckte zusammen, schaute zu Großonkel Oswald, ließ Charitys Hand los und murmelte, an die Zwillinge gewandt, eilig eine höfliche Begrüßung.
„Und das hier ist das Nesthäkchen der Familie, Miss Grace Merridew.“
Der Duke sagte leicht benommen: „Guten Tag, Miss Grace. Äh ... Sie hatten vor, heute Nachmittag im Park spazieren zu gehen? Sie alle zusammen?“ Sein Blick flackerte kurz auf.
„Ja, im Hyde Park. Alle Leute, die etwas auf sich halten, gehen dort zu dieser Zeit hin - auf die Flaniermeile, müssen Sie wissen“, erklärte ihm Grace völlig ungekünstelt. „Es ist so interessant, alle in ihren feinsten Kleidern zu sehen.“
„Ja, sicher. Äh, vielleicht werden wir uns dort eines Tages treffen?“, bemerkte der Duke, ohne jemanden im Besonderen anzusehen.
Es war schon spät am Nachmittag, als Gideon schließlich aufgab und nicht mehr so tat, als schliefe er. Er hätte schlafen müssen.
Er war müde; er hatte die ganze letzte Nacht hindurch Piquet gespielt. Und er hatte einiges getrunken, wonach er gewöhnlich tief und fest schlief. Aber etwas - oder besser jemand - hatte ihn davon abgehalten, einzuschlafen.
Ein kleiner, appetitlich gerundeter Jemand mit riesigen grauen Augen und lockigem Kupferhaar, dessen weicher, erstaunter Mund ihn mehrere unvergessliche Momente lang hatte vergessen lassen, wer er war ...
Ein kleiner, entschlossener Wirbelwind, der höchst unpassenderweise auf den Namen Prudence hörte. Prudentia - die Tugend der Klugheit und Besonnenheit. Er lächelte in sich hinein und streckte sich gemütlich in seinem großen, breiten Bett. Wer immer Prudence ihren Namen gegeben hatte, lag völlig falsch. Unbesonnen wäre viel zutreffender. Er schmunzelte. Miss Unbesonnen Merridew. Das gefiel ihm. Was würde sie wohl dazu sagen, wenn er sie das nächste Mal sah?
Er streckte sich wieder, genoss die neue Energie, die ihn durchströmte, und dachte an das nächste Mal, da er sie sehen würde. Weil es natürlich ein nächstes Mal geben würde. Und zwar bald.
Er konnte diesen Kuss, oder eher diese Küsse, nicht aus seinem Kopf bekommen. In diesen wenigen Augenblicken mit Prudence auf dem Sofa hatte er sich völlig vergessen, nicht mehr gewusst, wer er war, wo er war. Es hatte nur sie allein gegeben ...
Er konnte sich nicht entsinnen, wann ihm so etwas zuletzt geschehen war. Wenn es ihm überhaupt schon einmal so gegangen war, was er bezweifelte.
Er würde sie Wiedersehen. Er konnte vernünftig sein und gleichzeitig seine Neugier stillen. Das war völlig ungefährlich. Er schaute zum Fenster und sah den schmalen Streifen Sonnenlicht, der durch den Spalt zwischen den Vorhängen hindurchfiel, nahm seine Taschenuhr vom Nachttischchen und öffnete sie. Fast vier Uhr. Gerade noch genug Zeit, um Miss Unbesonnen Merridew und ihrem Großonkel einen Besuch abzustatten. Plötzlich wie beflügelt, sprang er aus dem Bett, rief nach seinem Kammerdiener, heißem Wasser und dem Rasierzeug und ordnete an, dass sein Phaeton um halb fünf abfahrbereit vor der Tür stehen solle.
Miss Prudence hatte vielleicht heute Morgen Bekanntschaft mit einem unrasierten Flegel gemacht, aber heute Nachmittag würde sie von einem Ehrenmann erster Güte, einem über jeden Tadel erhabenen elegant gekleideten Herrn besucht werden.
Nicht, dass er vorhätte, ernsthaft mit ihr anzubandeln - er schäkerte nicht mit Unschuldslämmern, und eine Hochzeit gehörte nicht zu seinen Plänen für die nähere Zukunft. Aber ... er musste
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