Ein koestliches Spiel
ihrem Kleid aus cremefarbenem Seidensatin mit einer gestickten Verzierung am Saum aus zierlichen grünen und weißen Schneeflocken wie ein unbeholfenes Schulmädchen.
„Danke.“ Sie zog sich ihre Abendhandschuhe wieder an und wandte sich zum Gehen.
„Nicht so schnell, mein Unschuldslamm.“ Mrs. Crowther legte Prudence eine Hand auf den Arm und hielt sie fest.
„Verzeihung?“ Prudence hob eine Augenbraue auf - wie sie hoffte - hochnäsige Art und Weise. Sie mochte Mrs. Crowther nicht und ihren Ton ebenso wenig. Sie versuchte, sich von ihr zu lösen, musste aber feststellen, dass Mrs. Crowther sie festhielt. Da sie nicht allein im Zimmer waren, wollte Prudence keine Szene machen.
„Ein Wort der Warnung - von Frau zu Frau.“
Prudence wusste nicht genau, was sie darauf erwidern sollte, und runzelte nur die Stirn.
„Ich denke, die Situation verlangt nach mehr Ungestörtheit, als wir hier haben.“ Mrs. Crowther führte Prudence in den sich an das Zimmer anschließenden Salon, der gerade leer war.
„Welche Situation?“, fragte Prudence, die sich über sich selbst ärgerte, dass sie dieser Frau erlaubte, sie so zu überrumpeln. Aber sie wusste wirklich nicht, wie sie ihr entkommen sollte, ohne unhöflich zu sein.
„Die Situation mit Lord Carradice. Sie sind mehrmals mit ihm gesehen worden.“
„Ich begreife nicht, inwiefern Sie das ... “
„Lord Carradice und ich sind befreundet. Sehr intim befreundet, könnte man sagen“, schnurrte Mrs. Crowther und strich sich dabei mit einer Hand sinnlich über die schimmernde Seide ihres Kleides.
Prudence versteifte sich. Wenn sie den Mut gehabt hätte, eben eine kleine Szene zu machen, müsste sie jetzt nicht dieses geschmacklose Gespräch über sich ergehen lassen.
„Daher hielt ich es nur für fair, Sie zu warnen, meine liebe junge Dame: Männer sind so herzlos. Natürlich amüsiert er sich nur mit Ihnen, aber...“
„Woher wollen Sie wissen, dass er sich nur amüsiert? Es könnte doch auch anders sein“, unterbrach sie Prudence, plötzlich wütend. Sie wusste, dass Lord Carradice es nicht ernst meinte, aber sie würde dieser flammenumschlängelten Harpyie nicht erlauben, das zu sagen. „Und wenn doch, könnte es sein, dass nicht ich das Objekt seines Amüsements bin.“ Sie wartete, bis diese Bemerkung Zeit hatte, sich zu setzen, dann fügte sie betont hinzu: „Sie sind doch verheiratet, oder?“
Mrs. Crowther lachte ein sprödes Spottlachen. „Sagen Sie jetzt nicht, Sie glauben, dass er ernsthafte Absichten bei Ihnen verfolgt! Das ist schlicht unmöglich, meine Liebe.“
Ihr Ton war der einer erfahrenen Frau, die zu einem einfältigen Schulmädchen spricht, und während Prudence insgeheim einer Meinung mit ihr war, reizte Mrs. Crowthers herablassende Art sie bis aufs Blut. Sie hob die Brauen und erkundigte sich ruhig: „Und warum?“
Mrs. Crowther lächelte und strich sich über ihre Frisur und ihr Kleid. „Wenn Sie den lieben Gideon auch nur ein bisschen kennen würden, mein liebes Kind, müssten Sie diese Frage nicht stellen.“
Die Frau verströmte Selbstgefälligkeit. Prudence konnte das nicht ertragen. Seidenglatt erwiderte sie: „Vielleicht haben Sie die Situation missverstanden, Mrs. Crowther.“ Als sei sie gelangweilt von der Unterhaltung, studierte Prudence sorgfältig ihre Handschuhe, hielt die Arme vor sich und strich den Stoff an den Ellbogen glatt.
Mrs. Crowther verfolgte ihr Tun mit zusammengekniffenen Augen. Prudence zupfte an ihren Handschuhen herum, bis sie dachte, die andere würde vor Ungeduld gleich platzen, dann fügte sie hinzu: „Sind Sie sicher, dass die Handschuhe gerade sitzen? Irgendetwas ist da verrutscht ... “
„Die Handschuhe sind jetzt völlig bedeutungslos“, fiel ihr Mrs. Crowther ins Wort.
Prudence blickte sie nachdenklich an, dann schüttelte sie den Kopf. „Oh, da muss ich widersprechen. Ein elegantes Paar Handschuhe verleiht der Abendgarderobe den letzten Schliff ... oder ruiniert die Wirkung. Worüber haben wir gerade geredet? Ah ja. Haben Sie schon einmal in Erwägung gezogen, dass der liebe Gideon, wie Sie ihn zu nennen belieben, ein alter Freund der Familie sein könnte?“
Sie zupfte ein letztes Mal an ihren Handschuhen und fügte beiläufig hinzu: „Ihnen ist vermutlich noch nicht in den Sinn gekommen, dass unsere Mütter als Mädchen eng befreundet gewesen sein könnten ... Und wenn das der Fall wäre, wäre es dann ein Wunder, wenn er um ihretwillen ein Auge auf meine Schwestern und
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