Ein koestliches Spiel
sie war schon ohne männliche Hilfe herausgeklettert. Fröhlich hakte sie sich bei ihm unter. „Ich fand die Kampfszenen am besten - all der Rauch, die Kanonen und die Soldaten, die so tapfer und schneidig in ihren Uniformen aussahen“, verkündete sie.
Aber Gideons Aufmerksamkeit war plötzlich abgelenkt, als ihm auffiel, dass Prudence erstarrt war. Sie war ganz blass geworden, so weiß wie das zerknitterte Stück Papier in ihrer Hand. Während er sie beobachtete, wankte sie leicht, als befände sie sich am Rande einer Ohnmacht.
Gideon war mit einem Satz bei ihr und schlang ihr einen Arm um die Mitte. „Was ist los, Prue? Schlechte Nachrichten? Sind Sie krank?“
Es sprach Bände, wie es um Prudence stand, dass sie seine vertrauliche Berührung nicht zu bemerken schien, geschweige denn seine unerlaubte Verwendung ihres Vornamens. Sie hielt den Zettel in die Höhe und sagte mit tonloser Stimme zu ihren Schwestern: „Es ist von Mrs. Burton.“
Es war, als hätte eine Schar fröhlicher kleiner Küken plötzlich eine Schlange in ihrer Mitte entdeckt. Die sorglose Aufgeregtheit von eben wich abrupt gespannter Stille.
Die Zwillinge rückten näher zusammen und fassten sich unwillkürlich an den Händen. Grace wurde noch blasser als ihre ältere Schwester. Prudence trat von Gideon weg und zog das kleinere Mädchen schützend an sich. Charity biss sich auf die Lippe, dann trat sie von dem Duke weg auf Graces andere Seite, sodass Prudence und sie die Kleine in ihrer Mitte hatten.
Gideon tauschte einen Blick mit Edward, dann stellten sie sich auch näher zu den Mädchen, gerade rechtzeitig, um Prudence erklären zu hören: „Mrs. Burton weiß nicht, wie er es herausgefunden hat. Sie denkt, dem neuen Stiefeljungen ist etwas herausgerutscht, aber als sie dies hier schrieb ...“, sie überprüfte das Datum auf dem Brief, vorgestern, hatte er befohlen, die Kutsche abfahrbereit zu machen. Er kommt nach London, um uns zu suchen. Sie hat einen Stalljungen mit dieser Nachricht geschickt, der die Postkutsche genommen hat. Er kann nicht weit dahinter sein.“
Die Mädchen blickten sich wild um, als könne „Er“ - wer immer das auch war - hier irgendwo sein. Prudence schluckte und fuhr mit ruhiger Stimme fort: „Es ist in Ordnung. Wir werden vor ihm sicher sein, das verspreche ich.“
„Wir werden fliehen müssen, nicht wahr, Prue?“, erkundigte sich Charity leise.
Prudence zögerte, dann nickte sie. „Ich kann keine andere Möglichkeit sehen.“
„Wird uns Großonkel Oswald nicht helfen?“, fragte Grace. Prudence wirkte beunruhigt. „Er würde es versuchen, da bin ich sicher, Liebes. Aber er ist finanziell ganz von Großvater abhängig, und er ist immer so freundlich zu uns gewesen, dass ich denke, wir sollten ihn nicht bitten, seine Apanage zu riskieren.“ „Und er ist nicht so stark und boshaft wie Großvater“, erklärte Hope unverblümt. „Großvater würde ihn einfach niederschlagen und dann mit uns weitermachen.“
„Vielleicht würde er uns auch gar nicht glauben“, fügte Faith hinzu. „Niemand hat das früher je getan. Nicht bis Dr. Gibson Grace mit seinen eigenen Augen gesehen hat.“
„Außerdem“, bemerkte Charity sachlich, „wird Großonkel Oswald heute erst spät zu Hause sein, und Großvater kann jede Minute eintreffen.“
„Was geht hier vor, Prudence?“ Gideon betrachtete besorgt ihr Gesicht. Sie sah so verängstigt aus, verdammt noch einmal! Das taten sie alle. Er wollte sie wieder in seine Arme zurückreißen, aber ihre Schwestern standen um sie herum. Er ballte die Hände zu Fäusten. Was, zum Teufel, war los, und warum meinten sie, dass ihnen nichts anderes übrig blieb, als zu fliehen? Er schaute zu Edward, der darauf nur ratlos die Achseln zuckte.
„Wir müssen aufbrechen - und zwar unverzüglich“., verkündete Prudence mit ausdrucksloser Stimme. „Dank Mrs. Burtons Nachricht sind wir vorgewarnt, und zu dem Zeitpunkt, da Großvater hier eintrifft, werden wir längst fort sein.“
„Was meinen Sie damit?“ Gideon versuchte, Prudences Blick aufzufangen, aber sie sah nur ihre Schwestern. Wie eine kleine Glucke scheuchte sie sie vor sich her die Treppe hinauf in die Eingangshalle. Gideon und der Duke folgten ihnen ratlos.
„Rasch, nach oben und packt so schnell wie möglich eure Taschen. Für mich bitte auch, ja? Hope, bitte hole meine besondere Schachtel. Ich werde mich um alles andere kümmern. Und ich werde eine Nachricht für Großonkel Oswald dalassen, in der
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