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Ein koestliches Spiel

Titel: Ein koestliches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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schreiben. Sie schaute Lord Carradice nicht an, aber sie konnte ihn aus dem Augenwinkel sehen.
    Er war sehr still. Hopes Worte hatten ihn entsetzt, das war eindeutig.
    Aber sie hatte jetzt keine Zeit, ihn zu beruhigen. Und außerdem gab es nichts weiter dazu zu sagen. Was geschehen war, war geschehen, und es machte keinen Sinn, deswegen zu weinen. Das Hier und Jetzt zählte, nicht die unglückliche Vergangenheit. Und im Augenblick musste sie Großonkel Oswald diesen Brief schreiben.
    Armer Großonkel Oswald. Heute Morgen war er aufgebrochen und hatte ein Haus voller Fröhlichkeit und Lachen zurückgelassen, und wenn er heimkehrte, wäre es verlassen und leer. Er würde von ihrem Betrug und ihren Lügen lesen. Und dann würde er sich mit seinem fuchsteufelswilden älteren Bruder auseinandersetzen müssen.
    Es war ein armseliger Dank für die Freundlichkeit und Großzügigkeit, die er ihnen bewiesen hatte. Prudence schwor sich, es eines Tages wiedergutzumachen.
    Sie schrieb weiter. Links von ihr stand Lord Carradice wie erstarrt. Er blieb eine Weile still und reglos. Dann merkte sie, dass er auf sie zukam, spürte seine Hände auf ihren Schultern, ehe er sie sachte zu sich umdrehte.
    „Er prügelt Sie?“ Seine Stimme war tief und leise, aber darin schwang ein Ton mit, den sie noch nie zuvor bei ihm gehört hatte. Sie hatte geglaubt, er könne nur lachen und scherzen.
    Sie hatte sich geirrt.
    „Warum prügelt er Sie?“, fragte er wieder in diesem unerbittlichen Ton. „Und warum hat ihn niemand daran gehindert?“
    Sein Zorn war ein wenig beängstigend. Beängstigend, aber gleichzeitig auch tröstend. Denn obwohl sie eine so stille, kalte Wut nicht kannte und nie kennengelernt hatte, wusste sie, dass er sie ihretwegen empfand. So etwas hatte sie nie zuvor erlebt. Ein Zorn, der beschützte, statt zu bedrohen.
    Sie hatte keine Ahnung, wie sie mit den Gefühlen umgehen sollte, die seine Reaktion in ihr geweckt hatte, und was sie darauf antworten sollte. Sie zuckte die Achseln und versuchte, sich wieder über den Brief zu beugen. „Es ist nichts, nur ein albernes Vorurteil über meine Haare“, murmelte sie.
    „Was ist damit?“
    „Er meint, die Farbe sei ein Zeichen des Teufels in mir. Ein Zeichen, dass ich schlecht und verdorben bin ... und böse.“ Sie starrte blindlings auf den Brief vor sich. In Großvaters Anschuldigungen lag eine gewisse Wahrheit. Er hatte einen Grund, sie zu verdammen - oh, aber nicht wegen ihres Haares, sondern wegen ... anderer Dinge.
    Sie hörte ihn fassungslos nach Luft schnappen und spürte seine Hand in ihrem Nacken, zärtlich, besitzergreifend, Trost spendend. Seine langen, kräftigen Finger glitten durch ihre wirren Locken, lösten sie aus den Resten des Knotens, streichelten sie, während er leise erklärte: „Ihr Haar ist herrlich, Prudence. Es ist wunderschön. Wie ein Sonnenuntergang über einem Herbstwald. Wie Ranken aus geschmolzenem Kupfer, frisch aus dem Schmiedefeuer. Ich habe in meinem ganzen Leben kein schöneres Haar gesehen.“
    Die Schrift vor Prudence flirrte und verschwamm. Natürlich sagte er das nur, um sie zu trösten, aber trotzdem. Er musste es doch wenigstens ein bisschen bewundern, wie sonst wüsste er so wunderbare Worte, um es zu beschreiben... Ranken aus geschmolzenem Kupfer, frisch aus dem Schmiedefeuer... ein Sonnenuntergang über einem Herbstwald.
    Sie verstaute seine Worte in einer kleinen, versteckten Ecke ihres Herzens.
    Er hauchte einen warmen Kuss auf ihren Nacken, und sie erschauerte wohlig. Oh, wo war der oberflächliche Herzensbrecher, wenn sie ihn brauchte? Dem konnte sie widerstehen - mit Mühe.
    Aber dieser Lord Carradice, mit Poesie und zärtlichen Worten auf den Lippen ... und beschützendem Zorn im Herzen!
    Sie konnte sich immer noch nicht dazu überwinden, ihn anzusehen. Sie wusste nicht, weshalb sie sich so schämte, dass er einen Teil ihres hässlichen Geheimnisses kannte, aber so empfand sie es nun einmal. Sie wollte nicht, dass irgendjemand wusste, wie brutal ihr Großvater sie schlug.
    Irgendwie fühlte sie sich ... beschmutzt. Sie wusste, sie musste das nicht, und dass Großvater keine moralische Rechtfertigung dafür hatte, sie weiter zu schlagen.
    Und doch ... und doch ...
    Sie war nicht unschuldig, nicht wie Grace und ihre Schwestern.
    Vor viereinhalb Jahren hatte Prudence durch ihr Tun die Regeln gebrochen, die Großvater, wie sie wusste, heilig waren. Das, was sie getan hatte, hatte seine gewohnte Strenge umschlagen lassen in

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