Ein koestliches Spiel
absichtliche Grausamkeit. Ihre körperliche Züchtigung war auf eine verdrehte Art und Weise Sühne.
Das war es, weswegen sie sich noch mehr schämte. Als gäbe es eine Art niederträchtige Komplizenschaft zwischen ihnen ...
Aber dann hatte er mit Grace angefangen ... und das konnte sie nicht ertragen. Da hatte sie begonnen, sich zu wehren.
Lord Carradice ging um sie herum und stellte sich neben sie, wartete, dass sie ihn anschaute. Prudence beugte sich über den Brief, versuchte zu verbergen, dass in ihren Augen unvergossene Tränen schwammen.
„Prudence, meine Prudence“, sagte er leise.
Einen Moment lang schloss sie die Augen, drängte die Tränen zurück. Er beugte sich zu ihr herunter, langsam und mit geschmeidiger Anmut, dann kniete er sich vor sie. Er nahm ihre Hände in seine, die warm und stark waren und ihr Kraft verliehen. Sein Gesicht war auf selber Höhe wie ihres; sie konnte das an dem leisen Streichen seines Atems über ihrer Haut spüren.
Tief und zitternd holte sie Luft und öffnete die Augen.
Und hatte das Gefühl, als versänke sie in seinem dunklen, unergründlichen Blick. Jetzt lauerte dort kein Lachen, kein spöttisches Funkeln.
„Niemand soll Ihnen je wieder auch nur ein Haar auf dem Kopf krümmen, meine Prudence, oder Ihren Schwestern etwas tun, nicht solange ich noch Atem in mir habe, es zu verhindern.“
Es war ein Schwur. Prudence fühlte sich wie eine mittelalterliche Königin, der der Ritter ihres Herzens erklärte, er wolle ihr Vasall sein. Sie blickte ihm in die Augen und sah dort einen sicheren Zufluchtshafen - und Liebe.
Und dann konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten, denn sie konnte weder bei ihm Zuflucht suchen, noch seine Liebe annehmen. Sie gehörte zu Phillip. War an ihn durch ein Versprechen gebunden, das sie auf dem Friedhof hinter der Kapelle gegeben hatte, und später dann durch ein weiteres Versprechen, das noch heiliger war. Sein Ring ruhte hart und mahnend auf ihrer Brust, erinnerte sie an ihren Eid.
„Ach du liebe Güte, sehen Sie nur, was Sie angerichtet haben“, schluchzte sie, suchte vergebens nach ihrem Taschentuch und wischte sich verlegen die Tränen von den Wangen. „Ich weine so gut wie nie, und ich habe auch keine Zeit, es jetzt zu tun. Ich muss stark sein, sowohl für meine Schwestern als auch für mich.“
Er zog ein weißes, sauberes Taschentuch hervor und tupfte ihr fürsorglich die Tränen ab, noch während sie versuchte, sie mit den Händen wegzureiben.
„Ich weiß“, sagte er leise. „Und Sie sind ja stark. Aber es kümmert mich nicht, mit wem Sie denken verlobt zu sein. Jetzt, in diesem Augenblick, ist es meine Aufgabe, Sie zu beschützen - und den Rest meines Lebens, wenn Sie möchten.“
Sie schüttelte kummervoll den Kopf, und er hob ihr Kinn an, zärtlich lächelnd. „Machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe Ottershanks nicht vergessen. Ich werde Sie zu diesem unpassenden Zeitpunkt nicht weiter bedrängen. Sie sollen nur wissen, dass Sie nicht länger allein sind - jetzt oder in anderen Schwierigkeiten.“ Dann hob er ihre Hand an seine Lippen und küsste sie sehr förmlich - fast ehrerbietig. Er erneuerte und bekräftigte seinen Schwur von eben.
Prudence schnaubte in sein Taschentuch, unermesslich gerührt.
„Und jetzt ...“ Er stand auf und erklärte mit fester Stimme: „Weisen Sie den Schutz eines notorischen Tunichtguts und eines mittelgroßen Dukes mit einer Neigung zur Stämmigkeit nicht leichtfertig zurück. Wir können formidable Burschen sein, wenn wir es wollen, wissen Sie.“ Er strich ihr leicht über den Rücken und fügte leise hinzu: „Trocknen Sie Ihre Augen, Miss Unbesonnen. Wir müssen Briefe zu Ende schreiben, Taschen packen und Drachen verjagen.“
Prudence lächelte zitternd. Einen Freund zu haben, der jung und stark war und auch noch unabhängig von Großvaters Einfluss und zu alledem auch noch bereit, sie zu verteidigen, war eine völlig neue Erfahrung für sie.
„Ich nehme an, Sir Oswald weiß nicht, was vor sich geht.“ Prudence schüttelte den Kopf und erklärte beschämt: „Nein. Wir haben ihn getäuscht, als wir herkamen. Ich ... ich habe einen Brief gefälscht in Großvaters Schrift. Großonkel Oswald hat uns mit offenen Armen aufgenommen und uns mehr Freundlichkeit gezeigt, als meine Schwestern je in ihrem Leben kennengelernt haben - seit Mama und Papa gestorben sind.“ Sie machte eine Pause, konnte nicht weitersprechen wegen des Kloßes in ihrem Hals. „Großvater ist unser
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