Ein koestliches Spiel
ihm einen leicht spitzbübischen Blick zu. „ Ich habe es offen herumstehen lassen auf meinem Frisiertischchen und Taschentücher hineingetan, und Großvater hat nie Verdacht geschöpft, obwohl er sich sicher war, dass ich irgendwo noch Schmuck versteckt hatte. Mamas Vater war reich, wenn auch nicht von vornehmer Abstammung. Und Mama hat ihren Schmuck mitgenommen, als sie mit Papa durchgebrannt ist.“
„Ah, eine Ehe mit Durchbrennen.“
„Eine Ehe mit Liebe“, verbesserte sie ihn. „Und es war eine große Liebe. Mamas Vater wollte nicht, dass sie in den verkommenen Adel einheiratete, und Großvater wollte nicht, dass sein Sohn ein Mädchen aus einer Kaufmannsfamilie zur Frau nahm. Darum sind sie nach Italien gegangen.“
Endlich bewegte sich das Schloss und Prudence konnte den falschen Boden aus der Schachtel nehmen. Mit zwei Fingern griff sie in den kleinen Schatz Familienschmuck. Sie kannte jedes Stück auswendig. Hier war die Saphirhalskette mit den passenden Ohrringen ... von einem so lebhaften, leuchtenden Blau - genau wie die Farbe von Mamas und Charitys Augen. Sie hatte sich immer ausgemalt, dass Charity es einmal zu ihrer Hochzeit tragen würde, so wie Mama zu ihrer ...
Und da waren die schweren, kühlen Perlen an dem kurzen Halsband, das Mama so geliebt hatte. Sie schloss die Augen einen Moment und erinnerte sich daran, wie Papa es ihr um den langen, eleganten Hals gelegt und ihr mit dem Verschluss geholfen hatte. Dabei wurde immer viel gelacht und geneckt, aber jedes Mal küsste Papa Mama auf den Nacken, wenn er es geschlossen hatte ... eine langsame, andauernde Liebkosung ... und das Lachen verblasste, und eine merkwürdige, aufregende Spannung lag mit einem Mal in der Luft.
Prudence hatte es als Kind nicht verstanden, aber jetzt, viele Jahre später, erkannte sie plötzlich, was das für eine beinahe greifbare Spannung zwischen ihren Eltern gewesen war ...
Verlangen.
Sie sah Lord Carradice an, der sie schweigend musterte, und als ihre Blicke sich trafen, flammte etwas zwischen ihnen auf.
Der Moment dehnte sich aus. Er streckte seine Hand zu ihr aus, und mehr als alles andere wünschte sie sich, sie zu ergreifen. Als ihre Hand sich wie von selbst hob, schnaubte einer der Grauen und stampfte unruhig mit den Hufen, sodass die Kutsche ruckte. Prudence hielt sich am Rand fest, um nicht vom Sitz zu fallen, und Lord Carradice trat zu den Pferden, um seinem Knecht zu helfen.
„Es war eine Ratte, Mylord, eine große“, hörte sie Boyle sagen. „Ist ihm genau vor den Hufen lang gelaufen.“
Prudence erschauerte. Sie beobachtete, wie Lord Carradice seinem Pferd beschwichtigend etwas zumurmelte und es mit den Händen beruhigte, während der Pferdebursche sich um das andere kümmerte.
Der Moment war vergangen. Prudence wusste, sie musste dafür sorgen, dass so etwas nie wieder geschah. Nach einem langen, letzten Blick auf den Inhalt der Schachtel blinzelte sie die Tränen fort. Sie und ihre Schwestern waren das wahre Vermächtnis ihrer Mutter. Was waren schon kalte Edelsteine und Metall im Vergleich mit dem Glück von Mamas Töchtern? Und Erinnerungen - ihre Erinnerungen waren in ihrem Herzen, nicht in dieser lieb gewordenen, schäbigen alten Schachtel ...
„Ist irgendetwas darunter, was Sie lieber behalten würden?“
Ihre Finger berührten das Medaillon. Es war kaputt, aber der Verschluss ließ sich gewiss reparieren. Es war ziemlich groß und aus Gold gearbeitet, sodass es viel Geld brächte. Allerdings war das, was ihr daran am wichtigsten war, in seinem Inneren. Sie öffnete es. Ein allerletzter Blick auf die gemalten Gesichter, eine stumme Erneuerung des Versprechens, das sie Mama auf dem Sterbebett gegeben hatte.
Nein, da ist nichts, versuchte sie zu sagen, aber die Worte blieben ihr im Halse stecken. Sie schüttelte den Kopf, schloss mit zitternden Fingern das Medaillon und wollte es in die Schachtel zurücklegen. Ihre Eltern waren ohnehin nicht wirklich gut getroffen, sagte sie sich.
Seine Hand hielt sie auf, schloss sich um ihre Finger, sodass das Medaillon darin lag. „Behalten Sie es.“ Seine Stimme klang merkwürdig gepresst. „Wenn Sie es später noch verkaufen müssen, können Sie das ja, aber jetzt behalten Sie es.“
Ihre Finger schlossen sich dankbar um das alte Goldmedaillon. „Versuchen Sie bitte, einen guten Preis zu erzielen“, flüsterte sie.
Zum Teufel mit dem guten Preis, dachte Gideon. Glaubte sie wirklich, dass er zu der Sorte Mann gehörte, die um den Preis
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