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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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Ungemütlicheres, als mit einem Tierbaby in einem See lauwarmer Milch zu streiten. Sodann müssen die Tiere, besonders nachts, warm gehalten werden; das bedeutete mehrmaliges Aufstehen in der Nacht, um die Wärmflaschen zu füllen, es sei denn, man nimmt die Tiere mit ins Bett, was meistens das Endergebnis ist. Wenn man nach einem harten Arbeitstag um 3 Uhr morgens aus dem Bett muß, um Wärmflaschen zu füllen, verliert der Sport bald seinen Reiz.
    Und schließlich haben alle jungen Tiere einen überempfindlichen Magen. Man muß wie ein Schießhund aufpassen, daß die Milch weder zu fett noch zu mager ist. Durch zu fette Milch entstehen leicht Darmstörungen, die zu Nierenbeschwerden führen und den Tod bedeuten können; zu magere Milch hat Gewichtsverlust zur Folge und Anfälligkeit für alle möglichen Krankheiten.
    Im Widerspruch zu meinen düsteren Prophezeiungen entwickelte sich das junge Schwarzohrhörnchen Small zu einem Musterbaby. Untertags lag es zusammengerollt in einem Bett aus Watte, die wir auf eine Wärmflasche in einer tiefen Keksdose gelegt hatten. Nachts stellten wir die Dose neben unsere Betten unter eine Infrarotlampe. Sehr bald merkten wir, daß Small einen ausgeprägten eigenen Willen besaß. Für ihre Winzigkeit machte die junge Dame außergewöhnlich viel Lärm. Ihr Schreien klang wie das Gackern einer Henne oder wie das Rasseln eines billigen Weckers. Schon nach vierundzwanzig Stunden wußte sie genau, wann es Essen gab. Waren wir auch nur fünf Minuten zu spät, schnarrte und gackerte sie, bis wir es endlich brachten. Dann kam der große Tag, an dem Small zum ersten Mal ihre Augen öffnete und einen Blick auf ihre Pflegeeltern und die Welt im allgemeinen warf. Das hatte ungeahnte Folgen. Gerade an dem Tag kamen wir etwas spät mit dem Futter. Wir hatten uns in ein Gespräch über Tiere vertieft und, wie ich gestehen mußte, Small ganz vergessen. Plötzlich hörte ich hinter mir leises Rascheln. Ich wandte mich um und sah Small auf der Schwelle zum Eßzimmer hocken mit einer recht ungnädigen Miene. Sobald sie uns erspäht hatte, rasselte sie los, raste durchs Zimmer, zog sich keuchend an Jacquies Stuhl hoch und sprang ihr auf die Schulter. Dort blieb sie mit auf- und abflappendem Schwanz sitzen und schrie meiner Frau böse ins Ohr. Für ein so kleines Eichhörnchen war das alles eine ziemliche Leistung. Sie hatte, wie ich eben erzählte, gerade zum ersten Mal die Augen geöffnet und es dann fertiggebracht, sich aus ihrer Keksdose herauszuziehen, den Weg durch das mit Fotoausrüstung vollgestapelte Schlafzimmer zu finden, die Veranda entlangzulaufen, vorbei an Käfigen mit Tieren, die womöglich gefährlich waren, und uns dann schließlich — vermutlich an unseren Stimmen — im Eßzimmer am äußersten Ende der Veranda ausgemacht. D^imit hatte sie mindestens siebzig Meter durch unbekanntes Territorium und unzählige Gefahren zurückgelegt, nur um uns mitzuteilen, daß sie hungrig sei. Ich brauche wohl nicht zu sagen, daß sie ihr wohlverdientes Lob erhielt und, was für sie das Wichtigste war, ihr Mittagessen bekam.
    Seitdem Smalls Augen nicht mehr geschlossen waren, wuchs sie erstaunlich schnell und entwickelte sich zu einem der reizendsten Eichhörnchen, das ich je gesehen habe. Der orangefarbene Kopf mit den zierlichen schwarzumrandeten Ohren stand in auffallendem Gegensatz zu den großen schwarzen Augen. Ihr runder Körper bekam eine satte moosgrüne Färbung, auf der die beiden Reihen weißer Flecken an den Flanken wie Katzenaugen an einem dunklen Weg wirkten. Der Schwanz jedoch war das Prächtigste an ihr. Lang und dick, oben grün, unten lebhaft orange, bot er einen wunderbaren Anblick. Am liebsten legte sie ihn über den Rücken, so daß sein Ende genau über der Nase hing, flappte leicht mit dem Schwanz und bewegte ihn in leisen Wellen hin und her. Es sah aus wie eine Kerzenflamme im Luftzug.
    Auch als Small schon recht groß war, schlief sie noch in ihrer Keksdose neben unseren Betten. Wenn sie morgens aufwachte, schrie sie laut und vernehmlich, sprang auf unser Bett und schlüpfte zu uns unter die Decke. Hatte sie zehn Minuten lang ihre verschlafenen Vize-Eltern untersucht, sprang sie wieder hinunter und begab sich zu einem Inspektionsgang auf die Veranda. Von ihrem Eroberungszug kam sie dann häufig mit einer Beute — etwa einer verfaulten Banane, einem trockenen Blatt oder einer Bougainvilleablüte — zurück, die sie in unseren Betten zu verstecken suchte, und wurde sehr

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