Ein Koffer voller Tiere
ungehalten, wenn wir die Gaben hinauswarfen. Derartige Spielchen trieb sie einige Monate lang, bis ich eines Tages entschied, Small müsse wie alle anderen Tiere in einen Käfig. Ich war nämlich eines Morgens ganz entsetzt aufgewacht, als sie sich abmühte, mir eine Erdnuß ins Ohr zu stopfen. Wahrscheinlich meinte sie, diese Delikatesse, die sie auf der Veranda gefunden hatte, sei in meinem Bett nicht sicher genug und mein Ohr ein besseres Versteck dafür. Bug-eyes, der nadelklauige Maki, den wir bei Eshobi gefangen hatten, zählte auch zu unseren Babies, obwohl er vollkommen entwöhnt war, als wir ihn fingen. In kürzester Zeit wurde dieses Tiermädchen zahm und unser Liebling. Für ihre Größe hatte sie enorme Hände und Füße mit langen, dünnen Fingern und Zehen. Immer wieder entzückte sie uns, wie sie auf ihren langen Hinterbeinen im Käfig herumtanzte und eine Motte oder einen Schmetterling verfolgte, die wir hineingesetzt hatten, die riesigen Hände wie vor Entsetzen gehoben, mit Augen, die fast aus dem Kopf sprangen. Hatte sie das Insekt gefangen, hielt sie es fest in der rosa Hand und betrachtete es mit wilden, weit aufgerissenen Augen, als wundere sie sich, wie das Tier plötzlich dahingekommen sei. Dann stopfte sie sich die Beute in den Mund, aus dem bald ein Schmetterlingsflügel wie ein zitternder Schnurrbart heraushing, und zwei große Augen blickten darüber hinweg erstaunt in die Welt.
Bug-eyes zeigte mir auch als erste eine erstaunliche Angewohnheit der Buschbabies, die ich — ich muß es zu meiner Schande gestehen — bisher nie beobachtet hatte, obwohl ich zahreiche Buschbabies großzog. Eines Morgens beobachtete ich, wie sie aus der Schlafkiste heraussprang, um zu fressen und anschließend Toilette zu machen. Wie ich schon sagte, hat sie große Ohren, zart wie Blütenblätter. Damit die hauchdünnen, durchsichtigen Ohrmuscheln nicht beschädigt werden, können sie wie Segel zusammengerollt und an den Kopf angelegt werden. Die Ohren sind nämlich für das Buschbaby außerordentlich wichtig. Schon das leiseste Geräusch wird aufgefangen, und die Ohren werden ihm wie ein Radarschim entgegengedreht. Ich hatte öfter gesehen, daß Bug-eyes stets sehr viel Zeit auf die Reinigung ihrer Ohren verwendete. An jenem Morgen beobachtete ich den Vorgang von Anfang bis zum Ende und war sehr überrascht von dem, was ich sah. Zuerst saß sie auf einem Zweig, starrte verträumt vor sich hin und säuberte umständlich den Schwanz. Wie sie da sorgfältig das Haar teilte, damit keine Kletten und Knoten darinblieben, erinnerte sie mich an ein kleines Mädchen, das sich die Haare kämmt. Dann legte sie eine ihrer überdimensionalen, marionettenhaften Hände neben sich und machte einen Tropfen Urin darauf, rieb mit dem Ausdruck großer Anspannung die Hände und begann, die Ohren mit dem Urin einzuölen wie ein Mann, der sich Brillantine ins Haar reibt. Mit einem zweiten Tropfen massierte sie sorgfältig Fußsohlen und Handflächen. Ich saß da und staunte. Ich beobachtete das Buschbaby drei Tage, bevor ich sicher war, mich nicht getäuscht zu haben; denn dies erschien mir eine der seltsamsten Angewohnheiten bei einem Tier. Der einzige Grund dafür wird wohl folgender sein: da die Haut der Ohren sehr dünn und empfindlich ist, würde sie trocken und brüchig werden, wenn sie nicht angefeuchtet wird, und das wäre gefährlich für ein Tier, das ganz und gar auf sein Gehör angewiesen ist. Dasselbe gilt für die empfindliche Haut der Fußsohlen und Handflächen. Doch hat hier die verwendete Flüssigkeit noch einen zweiten Vorteil. Hand- und Fußsohlen sind leicht gewölbt und verhalten sich wie die Saugnäpfe an den Zehen der Laubfrösche. Feucht werden diese »Saugnäpfe« beim Buschbaby doppelt wirksam, wenn das Tier von Ast zu Ast springt.
Als wir später noch eine Menge Demidoff-Buschbabies bekamen — die kleinsten dieser Art, nicht größer als eine Maus —, bemerkte ich bei ihnen allen die gleiche Angewohnheit. Der tägliche Kontakt mit den Tieren, bei dem man beobachten, lernen und aufzeichnen kann, gehört für mich zum Interessantesten einer Fangexpechtion. Jeden Tag, ja eigentlich jeden Augenblick, geschieht etwas Neues und Bemerkenswertes. Die nachfolgenden Eintragungen des Tagebuchs zeigen anschaulich, wie jeder Tag von neuen Aufgaben und seltsamen Beobachtungen nur so strotzte.
14. Februar: Zwei Patas-Affen eingetroffen; beide an Zehen und Fingern schwer von Sandflöhen befallen. Ich mußte die
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