Ein Konkurrent zum Kuessen
„Vielleicht wären die Leute nicht so eingeschüchtert von dir, wenn du etwas freundlicher wärst.“
Jax jedoch war davon überzeugt, dass Melbournes Elite ihn wegen seiner niederen Herkunft mied. Wahrscheinlich befürchteten sie, er könnte sich ihre Millionen unter den Nagel reißen, genau wie Denver damals.
„Heute Abend bin ich doch zu allen nett und höflich.“
„Ja. Und gleichzeitig hast du sie finster und leicht drohend angesehen.“ Ruby zeichnete mit dem Finger die Furche auf seiner Stirn nach.
Als Jax den Kopf drehte, war ihr Handgelenk plötzlich seinem Mund ganz nah. Ruby stockte der Atem, als er die Zunge auf der zarten Haut kreisen ließ.
„He, ihr beiden – vielleicht solltet ihr euch zusammen zurückziehen?“, neckte sie Otto Smit, ein langjähriger Freund der Seaborns, der Sapphire gelegentlich zu gesellschaftlichen Pflichtveranstaltungen begleitete. Er hatte sympathisch auf Jax gewirkt, taxierte ihn aber schon den ganzen Abend.
„Verschwinde, du Zwerg.“ Ruby machte eine wegwerfende Geste.
„Zwerg? Ich bin deutlich größer als du!“, protestierte Otto.
„Vielleicht spreche ich ja nicht von der Körpergröße“, neckte sie ihn.
Jax unterdrückte ein Lachen, als Otto sich gespielt empört aufplusterte.
„Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich Ihre bildhübsche Braut auf ein Tänzchen entführe.“
Ohne zu wissen warum, hielt Jax Ruby fester. Er wollte sie keinen Moment loslassen, aber auch nicht unhöflich wirken – und gab sie schließlich doch frei.
„Keine Sorge, ich bin Otto schon so oft auf die Füße getreten, dass er es keine zwei Minuten mit mir aushalten wird.“ Als sie ihm ein Lächeln schenkte, zog sich etwas in Jax’ Brust zusammen.
„Lass dir Zeit“, sagte er, kämpfte jedoch gegen eine heftige Eifersucht, gepaart mit einem starken Besitzergefühl. Vielleicht war er einfach übermüdet davon, ständig die Fassade wahren zu müssen? Oder hatte er sich inzwischen fast selbst davon überzeugt, dass er und Ruby eine echte Ehe führten und sie mehr für ihn war als nur Mittel zum Zweck? Warum auch immer, Jax hatte das Gefühl, langsam, aber sicher die Kontrolle über seine Welt verlieren.
Schnell verließ er die Tanzfläche, bevor er noch eine Dummheit beging – zum Beispiel, seiner Frau zu sagen, dass ihre Beziehung ihm mehr bedeutete als eine Vernunftehe.
Ruby sah, wie Jax den Ballsaal verließ, als würde er vor etwas flüchten. Das konnte sie gut nachvollziehen, denn auch für sie war jeder Moment dieses Abends äußerst anstrengend. Nicht ohne Grund war Sapphie die Unternehmenssprecherin. Sie wurde mit Leichtigkeit und Anmut einem ganzen Raum voller anspruchsvoller Gäste gerecht.
Ihr dagegen fiel es schwer, sich bei dieser oberflächlichen Bande lieb Kind zu machen, aber Jax zuliebe hatte sie es getan. Und sie würde noch viel mehr für ihn tun. Seine unnachgiebige, starre Haltung ging ihr nahe. Könnte sie doch nur hinter die Fassade des harten Kerls gelangen und herausfinden, warum er sich so von allem abschottete.
Wie konnte es sein, dass auf der körperlichen Ebene eine so intensive Verbindung zwischen ihnen bestand, emotional aber eine solche Distanz zwischen ihnen herrschte? Und wie konnte Jax so viel Macht über sie haben, obwohl sie sich kaum sahen? Sie hatten doch nur zweimal miteinander geschlafen. Um genau zu sein, fünfmal am Morgen nach der Hochzeitsnacht und viermal hier in der Suite seit dem Einchecken am frühen Nachmittag. Wann immer sie Zeit zusammen verbrachten, gab es eine erotische Explosion.
Verliebt war sie nicht. Wann immer Ruby sich verliebt hatte, war das ein berauschendes, verrücktes Gefühl gewesen: euphorisch, aber kurzlebig und nicht sonderlich intensiv.
Bei Jax ging alles tiefer. Ruby verlangte es auf einer Ebene nach ihm, von deren Existenz sie bisher nichts geahnt hatte. Er rührte an eine wilde Sehnsucht, zu sein, wer immer sie sein wollte.
„Dein verträumter Gesichtsausdruck hat doch sicher nicht nur mit meinen Tanzkünsten zu tun.“
Ruby kam aus dem Takt und trat Otto auf den Fuß. „Entschuldigung.“
„Ach, wäre es schön, wenn eine heiße Braut meinetwegen mal so guckt.“
„Sapphie ist doch eine heiße Braut.“
Zu ihrer Überraschung runzelte der sonst immer fröhliche Otto die Stirn. „Für Sapphie bin ich doch nur ein guter Freund. Ich wünschte …“
Zum Glück sprach Otto nicht weiter, denn Ruby wollte nicht als Vermittlerin zwischen den beiden fungieren. Sapphie hatte ihr
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