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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wird – diesen Funken Hoffnung müssen wir ihnen lassen, weil sie sonst resignieren, renitent werden und unbrauchbar sind für uns …«
    Nach vielem Hin und Her sah Jachjajew ein, daß es sinnlos war, Rassim zu überzeugen. Der Kommandant war Soldat und nur Soldat. Für ihn gab es Schlag und Gegenschlag und sonst nichts. Der Erfolg mußte sofort sichtbar werden. Einen Weg hintenherum kannte er nicht.
    So war die Situation, als der Politkommissar plötzlich Abukow gegenüberstand. »Sie kommen aus dem Hospital?« fragte Jachjajew. »Was gibt es da? Ist die Genossin Tschakowskaja ansprechbar?«
    »Ich fürchte – nein.« Abukow klopfte seine Taschen ab und zuckte dann bedauernd die Schultern. »Haben Sie eine Papyrossi für mich, Genosse Kommissar?«
    »Bedienen Sie sich, Victor Juwanowitsch.« Jachjajew hielt ihm eine Packung unter die Nase. »Erregt sehen Sie aus.«
    »Ein vernünftiger Mensch, der noch ein Stückchen Herz in der Brust trägt, soll sich nicht aufregen bei dem, was geschehen ist? Haben wir kein Mitleid? Nein, alles Verbrecher sind es, die da drüben eingesammelt worden sind. Wären sie sonst hier, wenn es anständige Bürger wären? Aber es sind doch Menschen! Oder sehen Sie das anders, Genosse Jachjajew? Handelt es sich um irgendwelche unbekannten Wesen? Dann sollte man es draußen an den Lagerzaun schreiben, auf eine große, weit sichtbare Tafel: ACHTUNG! DAS SIND KEINE MENSCHEN, AUCH WENN SIE SO AUSSEHEN! – Dann weiß wenigstens jeder sofort, wie er sich zu verhalten hat.« Abukow sog gierig an seiner Zigarette. Er hatte sich nie viel aus dem Rauchen gemacht, in seiner Jugend nicht und nicht in Rom. Wenn er eine Zigarette oder ein Zigarillo annahm – Monsignore Battista rauchte mit Vorliebe lange dünne Zigarillos mit einem Strohhalm in der Mitte –, dann hatte er nur aus einer Art Höflichkeit mitgeraucht und nie begriffen, warum ein Mensch davon süchtig werden konnte.
    Erst hier, in Sibirien, packte ihn die erschreckende Erkenntnis, daß dieses körperlich und seelisch aufreißende Leben in Taiga und Sumpf erträglicher werden konnte mit dem in Papier zusammengerollten, brennenden Tabak. Sehr schnell hatte er gelernt, den beißenden Rauch von Machorka, diesem grob geschnittenen Rippentabak, sogar in die Lunge zu inhalieren. Anfangs hatten Hustenanfälle ihn durchgerüttelt, reagierten die plötzlich gegerbten Stimmbänder mit Heiserkeit, mußte er nach zehn Papyrossi sogar einen Tag im Bett liegen mit einem Kopf, der zu zerspringen drohte. Er hatte gedacht: Nun bist du vergiftet, nun krepierst du hier auf einer Holzpritsche und hast noch nichts geleistet für deinen Auftrag. Aber sein Körper hielt die Schlacht gegen den Tabak durch. Als Abukow wieder aus dem Bett kroch, zündete er sich sofort wieder eine Papyrossi an, sog gierig den Rauch ein und fühlte sich verteufelt wohl dabei.
    Es war Sibiriens erster Triumph über Victor Juwanowitsch Abukow.
    Jachjajew wartete, bis Abukow den Qualm dreimal aus seinem Mund gestoßen hatte, und beobachtete ihn dabei wie ein Pferdekäufer, dem man das Gäulchen vortraben läßt.
    »Sie kennen die Genossin Tichonowa?« fragte er unvermittelt. Abukow nickte. Und wie ich sie kenne! Brennt höllisch in der Wunde, der Zigarettenqualm. Auch das wird ein Problem werden, dachte er: Zwei Frauen gebärden sich wie wilde Katzen. Jeder andere Mann, dem so etwas widerführe, würde sich an die Brust trommeln vor Freude. Victor, mein Bester, würden sie sagen, gratuliere. Eine für den Tag, eine für die Nacht – wer hat das schon? Bist ein Glückspilz, zum Teufel! Und was für Weibchen das sind – eine toller als die andere. Da mußt du dich pflegen, Brüderchen, viel Eier essen, Sahne schlürfen und rohen Fisch verspeisen; fällst sonst in die Knie, haha … Und ich müßte ihnen antworten: Ihr seht das alle falsch. Ein großes Problem wird das werden, sie abzuwehren wie anspringende Wölfe.
    »Ja!« Abukow inhalierte wieder einen Zug. »Ich kenne die Tichonowa.«
    »Gut?« fragte Jachjajew lauernd.
    »Was verstehen Sie unter gut?«
    »Der Gedanke käme Ihnen nie, mit Novella Dimitrowna ins Bett zu gehen?«
    »Nein!« Abukow musterte den kleinen dicken Kommissar. So ist das also, mein fettes Schweinchen, dachte er überrascht und erfreut zugleich. Warum reden wir drum herum? »Novella ist ein hübsches Mädchen, aber ich habe andere Sorgen, als ihr den Rock hochzuheben.«
    »Ich muß Ihnen etwas sagen, Abukow.« Jachjajew legte ihm die Hand auf den Arm.

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