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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wort mehr … Sie fahren nicht allein. Leutnant Sotow gebe ich Ihnen mit. Nur unter der Bedingung bekommen Sie den Jeep.«
    »Wenn's sein muß.« Die Tschakowskaja hob die Schultern. »Das ist ein ganz neuer Zug an Ihnen, Rassul Sulejmanowitsch: Sie machen sich Sorgen um mich! Ich bin verwirrt …«
    Sie drehte sich um und verließ mit knarrenden Stiefeln das Zimmer.
    »Aas!« sagte Rassim leise und aus voller Überzeugung. »Du verfluchtes Dreckstück. Wenn man doch in deinen Kopf sehen könnte …«
    Sie erreichten die Trasse nach drei Stunden Fahrt durch den Urwald auf einer von den Sträflingen schnurgerade in die Taiga geschlagenen Straße. Zuerst sahen sie die Arme der riesigen Rohrverlegungskräne, dann kamen ihnen auf der Hauptstraße Traktoren, Raupenfahrzeuge, mächtige Schlepper und Schaufelbagger entgegen. Und schließlich lag vor ihnen die kleine neue Stadt aus beweglichen Baracken, Wohnwagen und Häusern in Schnellbauweise, in denen die Facharbeiter und die Ingenieurgruppen wohnten. Diese sauberen Holzhäuser konnte man vorzeigen, falls ausländische Journalisten jemals in die einsame Gegend geflogen wurden, denn hier bemerkte man nirgendwo die sogenannten ›Erdgas-Sklaven‹, über die sich der Westen so aufregte. Man sah es den Häusern nicht an, daß auch sie von Sträflingen erbaut worden waren, bevor die Facharbeiter – die darin wohnen sollten – mit einem Schwarm von Hubschraubern eingeflogen wurden.
    Leutnant Sotow hatte es nicht zugelassen, daß Larissa Dawidowna das Steuer übernahm. »Sie mögen einen starken Willen haben, Genossin Kapitän«, hatte er gesagt, »aber ich auch! Unmöglich für mich, daß neben mir eine Frau sitzt und fährt!«
    Auf dem ganzen Weg hatte Sotow dann versucht, ein Gespräch in Gang zu bringen. Er prallte an der Tschakowskaja ab, als sei sie ein stählernes Denkmal, gegen das man mit der Hand schlägt. Erst als sie in das neue Dorf einfuhren, sagte sie:
    »Zur Planungsabteilung, Genosse Leutnant. Wissen Sie, wo das ist?«
    »Der Genosse Morosow?«
    »Ja.«
    »Natürlich.« Der Jeep hoppelte über die unebene staubige Straße, fuhr an der langgestreckten Stolowaja vorbei, dem Versammlungshaus und der Kantine, und hielt vor einem Fertighaus mit einer hohen Funkantenne auf dem Dach. Die Fenster waren geöffnet. Man sah, wie an der Decke breitflügelige Ventilatoren die heiße Luft umwälzten. Es war, als ob dieses Land aus Sumpf und Wald jetzt glühte und zu einem Klumpen gebacken wurde.
    »Da ist es!« sagte Sotow.
    Die Tschakowskaja nickte, erhob sich, stellte sich in den Jeep und reckte den Hals. Ihr Blick flog über die offenen Fenster, und dann sah sie, was sie suchte: In der Sonne leuchteten sie ab und zu auf, die blondroten Haare von Novella Dimitrowna Tichonowa. Morosows hübsche Sekretärin saß an einer Schreibmaschine und war konzentriert beschäftigt.
    »Ja, wir sind da!« sagte die Tschakowskaja und sprang aus dem Jeep. »Ich entlasse Sie als Bewacher, Leutnant. Für die nächsten Stunden brauche ich Sie nicht.«
    Es war, als wenn man einen Hund wegjagte, und Sotow fuhr schnell davon.

8
    Morosow hatte es sich gemütlich gemacht, saß zurückgelehnt in einem Holzsessel, aß eine Scheibe Brot, belegt mit rohem Schinken, und trank dazu aus einem hohen Blechbecher kalten Tee mit Zitrone. Trotz des Ventilators an der Decke war es drückend heiß im Raum, die Luft roch faulig und wie verwest; der Atem der Sümpfe wehte bis hierhin. Morosow hob erstaunt den Kopf, als nach kurzem Klopfen die Tschakowskaja eintrat und in der Tür stehenblieb. Da sie ihre Uniform trug, also offenbar im Dienst war, ahnte er nichts Gutes, sprang auf und ordnete sein Hemd, das bis zum Gürtel offengestanden hatte.
    »Welche Überraschung!« rief er. »Was gibt es? Sie sehen so dienstlich aus.«
    »Ich war noch nie an der Trasse. Neugier ist es, Wladimir Alexejewitsch. Ich wollte einmal sehen, wie meine Sklaven arbeiten.«
    Morosow hob die Augenbrauen. Es war die einzige Äußerung seines Erstaunens. Vorsicht war geboten. Wem konnte man noch vertrauen? An einigen wenigen Worten waren schon hochgestellte Persönlichkeiten gescheitert und nach Sibirien verbannt worden.
    »Sie sagten Sklaven, Larissa Dawidowna?«
    »Können Sie sie anders nennen, Genosse Morosow?«
    »Es sind rechtmäßig Verurteilte, die ihre Strafe abbüßen.« Morosow kam um den Tisch herum, reichte der Tschakowskaja die Hand und fragte sich, was sie wirklich hier an der Trasse wollte. »Wo darf ich Ihnen einen

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