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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wissen, wenn man ein sowjetisches Restaurant betritt. Es ist ja so: In der Sowjetunion sind alle gleich, und wenn schon ein Genosse den anderen gleichgestellten Genossen bedienen muß, so hat man ihm mit der größten Höflichkeit und Ehrerbietung gegenüberzutreten. Es gibt ja schließlich keine Leibeigenen mehr!
    Abukow und Novella setzten sich, bekamen eine Speisekarte hingereicht und die brummige Ankündigung: »Wir haben nur noch die Speisen Nummer 2 und 4, 7 und 9 …« Auch das ist eine Eigenheit sowjetischer Restaurants: Man bekommt die schönsten Speisekarten – aber lieferbar ist bloß ein Bruchteil des großen Angebots. Immerhin kann man sich orientieren, was der Koch alles kochen möchte, wenn man ihm dazu die Möglichkeit gäbe.
    Novella entschloß sich für eine Portion Scharenny Porossenok , das ist ein gebratenes Spanferkel. Und Abukow bestellte Ljulja -Kebab: gehacktes Lammfleisch am Spieß, wie man es im Kaukasus ißt. Zum Nachtisch verlangten sie Preiselbeer -Kissel, was nichts anderes ist als ein Fruchtgelee mit süßer Sahne.
    Dann waren sie allein, Novella legte ihre kleine Hand auf Abukow s Hand und blickte ihn mit dem ganzen Zauber ihrer Verliebtheit an.
    »Erzähl mir von dir«, sagte sie. »Was weiß ich denn von dir? Fährst einen Kühlwagen – das ist alles. Willst im Lager ein Theater gründen – darüber spricht man schon über Hunderte von Werst hinweg und lacht oft in den Arbeitsdörfern darüber. Nur Morosow nimmt dich ernst. Er hält viel von dir.«
    »Alle werden sich wundern«, sagte Abukow ausweichend. »Und wie sie sich wundern werden! Die erste Probe auf einer halbfertigen Bühne war schon. Ein Gottesdienst …«
    »Ein was?« fragte Novella und riß die großen blauen Augen noch weiter auf.
    »Wir haben gesungen und gebetet.«
    »Warum denn das?«
    »Es gehört zum Stück.« Abukow hatte diesen kleinen Test bewußt gemacht, und Novella reagierte so, wie er es erwartet hatte. Sie war durch die Komsomolzenschule gegangen, Religion war für sie eine Verirrung früherer Generationen; eine historische Fehlentwicklung der Menschheit, die der Bolschewismus endlich bereinigt hatte. Nie würde sie begreifen, daß Abukow kein Lastwagenfahrer, sondern ein heimlicher Priester war. Ihre Welt war anders.
    »Und weiter?« fragte sie. »Wie geht es weiter? Ein richtiges Theater wird es werden?«
    »Hoffen wir es.«
    Das Essen kam, schon etwas lauwarm, denn welcher Kellner in Rußland hetzt sich ab? Immerhin, es schmeckte vorzüglich, und auch der Wein – ein tiefroter Wein aus Grusinien – floß über die Zunge, daß man hätte schnalzen können.
    Abukow erzählte von seinem angeblichen Leben in Kirow. Er entwickelte dabei große Phantasie, doch es gab ja keinen Anlaß für Novella , das nicht zu glauben. Sie lachte öfter hell und schien mit Abukow s Bericht sehr zufrieden zu sein.
    Später saßen sie im Kino. Man spielte den Film ›Krieg und Frieden‹, ein Monumentalwerk mit ungeheuren Massenszenen und wuchtiger musikalischer Untermalung. Aber Abukow hatte bei aller Spannung, die der Film ausströmte, wenig von dieser Vorstellung. Auch Novellas zärtliche Finger, die in der Dunkelheit nach ihm tasteten, bis sie seine Hand gefunden hatten und sie streichelten, hoben seine Stimmung nicht. Und das hatte einen sehr ernsten Grund:
    Nach dem Vorfilm, der sich mit dem riesigen Staudamm von Bratsk beschäftigte, war Abukow nämlich noch einmal in das Foyer des großen Filmtheaters gegangen, um Novella von der Süßigkeitentheke eine Packung mit Honig gefüllter Bonbons zu holen. Gerade, als er bezahlte, klopfte ihm jemand auf die Schulter. Hinter ihm, klein, quallig, in einem blauen Anzug und einem roten Schlips, mit einem unheilvollen Gesicht, stand Jachjajew . – Abukow faßte sich schnell.
    »Sie hier, Mikola Victorowitsch ? Wie denn das? Wo kommen Sie her?«
    »Das frage ich Sie!« entgegnete Jachjajew .
    »Meine Station ist Surgut. Ich wohne hier. Das ist bekannt.«
    »Auch ich habe hier meine Wohnung.« Jachjajew zog böse das Kinn an. »Und mich gelüstete es, heute einen Film zu besuchen. Also fuhr ich vom Lager in die Stadt. Das ist doch ganz natürlich, nicht wahr? Nur war geplant, daß ich in Begleitung zu diesem Genuß fahre, aber die junge Frau erklärte mir, sie habe schreckliche Migräne. Nun sehe ich mit Verwunderung: Die Migräne sitzt neben Ihnen und verlangt nach Honigbonbons! – Wie kann man das erklären, mein lieber Abukow ?«
    »Ein Zufall.«
    »So ist es. Ein Zufall,

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