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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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keinen Verschluß, der ihm widersteht, das ist gewiß. Welch ein Schicksal, daß wir uns auf der Bank getroffen haben!«
    Gegen Abend verabredeten sie sich für den Montagnachmittag im Hof des Zentralmagazins, umarmten sich und gingen in dem Gefühl auseinander, daß eine große, nützliche und wirkliche Freundschaft begonnen hatte.
    Um 19 Uhr, pünktlich, stand Abukow vor dem Bahnhof von Surgut und wartete auf Novella Dimitrowna Tichonowa .
    An diesem Sonntag war nicht nur ganz Surgut auf den Beinen und blieb an den Ufern des Ob bis zu den letzten Sonnenstrahlen – auch andere Menschen außerhalb der Stadt drängten nach Erholung und gönnten sich einen Ausflug an den Fluß.
    Von den verschiedenen Erdgas-Stationen und Baustellen her strömten die Arbeiter und Ingenieure nach Surgut. Auf Lastwagen, per Materialbahn oder mit Geländeautos. Soldaten der verschiedenen Wachkompanien hatten Sonntagsurlaub bekommen, und es war vorauszusehen, daß es einen heftigen Abend und eine laute Nacht geben würde, denn jedesmal entwickelten sich große Schlägereien zwischen den Bewohnern der Stadt und den ›Gästen‹. Und immer waren die Mädchen der Anlaß. Wer aus der Taiga in die Stadt kommt, will etwas erleben. Nicht bloß einen Film oder ein Militärkonzert, das sei festgestellt, Genossen! Bei der Frauenknappheit in Sibirien muß man da schon sehr beweglich sein.
    Novella Dimitrowna hatte Glück: Drei Ingenieure ihres Camps nahmen sie mit nach Surgut und setzten sie vor dem Bahnhof ab, nachdem sie vergeblich versucht hatten, Novellas Pläne umzudrehen.
    »Da wartet schon das Böckchen!« sagte der Fahrer, als er Abukow vor dem Bahnhof hin und her gehen sah, und bremste. »So ein überragender Stenka Rasin ist er ja nun auch nicht! Sollen wir nicht weiterfahren, Täubchen? Mit uns erlebst du mehr.«
    Novella bestand auf Aussteigen, hüpfte aus dem Wagen und lief Abukow entgegen. Ihr Anblick war herzerfrischend. Ein Kleidchen, das nur bis eine Handbreit übers Knie reichte, wehte um ihre schlanken Beine. Das rotblonde Haar kringelte sich in Locken um ihr schmales Puppengesicht. Und wer ihr auf die spitzen Brüstchen blickte, lobte die Stunden, die noch vor ihm lagen. Abukow breitete die Arme aus, Novella lief in sie hinein, hängte sich an seinen Hals, stieß einen Juchzer aus und küßte ihn geradezu leidenschaftlich.
    »So glücklich bin ich!« rief sie und hakte sich bei Abukow unter. »So glücklich! Wie gut du aussiehst. Braun gebrannt!«
    »Wie kommst du wieder zur Trasse zurück?« fragte er und ging mit ihr die breite Straße vom Bahnhof in die Stadt hinunter. Sie trippelte auf ihren hohen Bleistiftabsätzen neben ihm her und zitterte vor Freude.
    »Weiß ich es? Daran denke ich nicht! Zunächst bin ich erst einmal hier bei dir.«
    »Aber du mußt doch morgen früh im Büro sein, Novellaschka .«
    »Irgendwie wird es gelingen. Irgendwie … Wer denkt jetzt daran? Ich bin so froh, daß du mich nicht vergessen hast.« Sie gab ihm beim Gehen einen Kuß auf den Hals und kicherte. »Weißt du, was man bei uns erzählt? Nur ein Gerücht ist es, aber es machte mich ganz traurig. Du und die Tschakowskaja … welch ein Unsinn, habe ich gesagt. Victor und Larissa Dawidowna ! Victor ist ein ganzer Mann, die Tschakowskaja aber eine Gesundschreibmaschine. Ein Satan mit dem Körper eines Weibes, weiter nichts. Doch man munkelte so allerlei; das hat mich sehr bedrückt, Victor.«
    Abukow vermied es, dazu Stellung zu nehmen. Sie hatten das Restaurant ›Am schönen Ob‹ erreicht, Abukow stieß die Tür auf und ließ Novella vorausgehen. Ein Mädchen in Kirgisentracht empfing sie, Abukow nannte seinen Namen und sagte, er habe einen Tisch bestellt, und bekam die gleiche Antwort wie am Telefon: »Wir nehmen keine Bestellungen an, Genosse – aber es ist ein Tisch frei.« Das Kirgisenmädchen führte sie in eine Ecke, die wie geschaffen war für ein Liebespaar, und winkte dem für dieses Revier zuständigen Kellner. Er war ein älterer, muffeliger Mensch, der sich offensichtlich ärgerte, für ein paar Rubel hier arbeiten zu müssen – wie es ja überhaupt ein Glückstreffer wäre, sollte man in Rußland irgendwo einen höflichen Kellner antreffen. Auch der wäre plötzlich schwerhörig und hätte sofort Blei in den Beinen, sollte man eine Reklamation anbringen oder mit größter Vorsicht fragen, warum alles so lange dauert. Unplanmäßige Nach- oder Umbestellungen werden grundsätzlich als Beleidigungen betrachtet. Das muß man

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