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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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daß ich in Surgut bin und solches sehe.«
    »Ein Zufall, daß ich im Bahnhof eine Zeitung kaufe und dabei auf Novella Dimitrowna stoße, die gerade aus dem Wartesaal tritt. Zum Essen und zum Kino lade ich sie ein, sie kam mir so einsam vor … Dankbar sollten Sie mir sein, Mikola Victorowitsch , daß ich sie nicht ohne Aufsicht allein in die Stadt ließ. Bei mir ist sie sicher wie unsere Freundschaft, Genosse …«
    Das war nun ein Satz, der Jachjajew allen Wind aus den Segeln nahm: Wie kann man einen Freund beschimpfen, wenn er einem eben einen Freundschaftsdienst bewiesen hat?! Jachjajew rang nach einer Argumentation, fand im Augenblick keine und wedelte mit der feisten Hand.
    »Hat sie was erzählt?«
    »Was soll sie erzählen?«
    »Nichts!« Jachjajew schien aufzuatmen. Die Blamage mit dem Kleid war also noch nicht zu Abukow gedrungen. »Was haben Sie vor, Victor Juwanowitsch ?«
    »Ich sehe mir ›Krieg und Frieden‹ an.«
    »Und dann?«
    »Ich werde veranlassen, daß Novella unbeschadet nach Hause kommt.«
    »Man könnte ihr die Mitfahrt bei mir anbieten, was halten Sie davon?«
    »Ich fürchte, ihr Migräneanfall wird sich wiederholen.«
    »Warum bloß? Abukow , sehen Sie mich an! Bin ich ein Untier? Sie könnte an meiner Seite das Leben einer Bojarin führen, um historisch zu denken. Was stört sie nur an mir?«
    »Vielleicht, daß Sie verheiratet sind.«
    Unmöglich war es, ihm zu sagen, daß kaum ein Mädchen mit einem großen Fisch ins Bett geht – und Jachjajew sah nun mal aus wie ein Kugelfisch. Wobei der Vergleich gar nicht so absurd war, denn es gibt auf der Welt kaum etwas Gefährlicheres und Giftigeres als einen japanischen Kugelfisch.
    »Ha! Novella will geheiratet werden?« rief Jachjajew fast entsetzt. »Sagt sie Ihnen das?«
    »Man hört es aus ihren Reden heraus. Verblüffend: Sie ist anständiger, als sie aussieht. Zur Geliebten würde sie nur, wenn sie wirklich und mit allen Konsequenzen einen Mann liebt. Erwarten Sie so etwas, Mikola Victorowitsch ?«
    »Sie raten mir also aufzugeben?« Jachjajew seufzte laut. »Victor Juwanowitsch – wenn ich Novella sehe, wird mein Herz zum Propeller. Verstehen Sie das? Sie zu erobern, das ist wie eine Schlacht gewinnen. Ich komme davon nicht los.«
    »Wahrhaftig, ein Problem ist das!« sagte Abukow traurig. »Genosse Kommissar, der Film beginnt. Soll ich Novella sagen, daß Sie auch im Theater sitzen?«
    »Nein! Nichts!« Jachjajew hob beschwörend beide Hände. »Es sähe so aus, als sei ich ihr gefolgt wie ein eifersüchtiger Schüler.« Er legte die Hand auf Abukow s Arm. »Werden Sie Novella zurück ins Dorf bringen?«
    »Nein, das kann ich nicht. Ich muß morgen früh einen Transport zum Abschnitt VI fahren. Schon um sechs Uhr geht es los. Aber ich werde Novella einem vertrauenswürdigen Genossen mitgeben. Es fahren in der Nacht viele zur Trasse zurück.«
    Jachjajew schien sehr zufrieden, klopfte Abukow noch einmal auf den Arm und huschte wenig später hinter ihm in den schon verdunkelten Kinosaal.
    Dies also war der Grund dafür, daß Abukow jetzt nicht die rechte Freude an ›Krieg und Frieden‹ hatte. Fast ungeduldig wartete er das Ende des langen Films ab und sagte dann zu Novella , die ein paarmal mitleidend geweint hatte:
    »Nun trinken wir noch einen Wein, und dann ab nach Hause.« Sie nickte, schmiegte sich an ihn und atmete tiefer. »Du hast ein Zimmer, das man ungesehen betreten kann? Uns stört niemand?«
    »Du fährst nach Hause«, erwiderte er ruhig.
    »Ja. Zu dir …«
    »Du bist in dem Dorf an der Trasse zu Hause, Novellanka .«
    »Heute nacht nicht.«
    »Heute nacht und morgen nacht und übermorgen nacht. Ich kann dich nicht zu mir mitnehmen.«
    »Man kann uns hören?«
    »Ich wohne mit zwei Kameraden in einem Zimmer.«
    »Aber ich liebe dich, Victor. Wie habe ich um diesen Tag gebetet.«
    »Gebetet?«
    »Man sagt das so … Was sollen wir bloß tun?«
    »Jetzt trinken wir den Wein!« sagte Abukow . »Seien wir dankbar für diesen Tag … ihn haben wir gelebt.«
    Beim Wein in einem kleinen Lokal, das ein Usbeke betrieb, ein Mann mit langem Schnauzbart und einer Gesichtslandschaft aus Pockennarben, übergab Abukow seinen Brief an Morosow . Novella Dimitrowna steckte ihn in den Ausschnitt ihres Kleides, zwischen ihre Brüste.
    »Wann kommst du ins Dorf?« fragte sie und streichelte wieder seine Hand. »Bei mir kannst du bleiben, ich werde dich nicht verstecken. Stolz werde ich sein, daß du bei mir schläfst. Dann hat auch alles

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