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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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liegen konnte. »Zugegeben«, stöhnte er, »diese Axinja ist ein Weib – wenn die einen anblickt, fällt die Hose von selbst herunter. Aber kein Mensch, auch Bataschew nicht, ist eine Rammaschine. Luftholen muß er doch einmal!«
    Unerklärlich war es vor allem, daß aus dem Inneren der verbotenen Wohnung kein Laut zu hören war. Nur einmal tauchte Bataschew auf, in Unterhemd und Hose, die Daumen zwischen die Hosenträger gehakt, stellte er sich in der Tür zum Depot auf und schrie den erschrockenen Gribow an:
    »Durst! Kwaß und Wodka her!«
    Dann warf er die Tür wieder zu. Gribow rannte sofort zu Mustai und fiel auf einen Stuhl. »Wie ein Ungeheuer sieht er aus«, stotterte er, »wie ein Moloch. Jetzt will er saufen.«
    Man stellte ihm eine große Kanne Tee und eine Flasche Wodka vor die Tür, und Mustai stiftete einen Thermoskessel voll Marakuja-Limonade.
    Am Freitagmorgen kam Abukow zu Rassim . Die Transportkolonne war abgefahren, und Abukow hatte eine offizielle Meldung mitgegeben, der Kühlwagen Nummer 11 rühre sich nicht und sei in Reparatur. Werkstattleiter Rakscha bestätigte als Fachmann diese mißliche Lage und schrieb darunter: »Voraussichtliche Reparaturdauer eine Woche. Unverbindlich. Das Getriebe ist so alt wie eine zahnlose Urgroßmutter.« Smerdow nahm diese Meldung gelassen hin – er hatte schon immer darauf gewartet, daß Abukow eines Tages zu ihm sagen würde: »Lieber Lew Konstantinowitsch , jetzt fahre ich den Mistwagen auf den Müll!« Ein Wunder, daß Abukow ihn immer wieder in Bewegung kriegte.
    Rassim saß in knapper Turnhose hinter seinem Schreibtisch, ein Frottiertuch um seinen gewaltigen nackten Oberkörper. »Wie eine Schmeißfliege sind Sie, Abukow «, sagte er grob, »einfach lästig! – Was wollen Sie?«
    »Der Spielplan des Theaters steht, Genosse Kommandant«, antwortete Abukow höflich. »Wir gehen in die Proben. Mit der ›Lustigen Witwe‹ beginnen wir. Ich brauche jetzt dringend die Frauen. Wenn Sie Oberst Kabulbekow bitten könnten – der Sonntag wäre der beste Tag. Dann sind auch die Noten abgeschrieben und die einzelnen Rollen.«
    »Kommandant Kabulbekow kommt sowieso am Sonntag«, erwiderte Rassim und zog das Frottier enger um seinen Oberkörper. »Ich teile ihm Ihren Wunsch mit.« Er beugte sich vor, und sein Blick wurde forschend: »Was haben Sie von Bataschew gehört?«
    »Nichts. Wir machen uns Sorgen.«
    »Nicht nötig!« Rassim lachte dröhnend. »Alles hat seinen Sinn.«
    An diesem Tag wurde auch das Problem gelöst, mit wem man die Rolle des Danilo besetzen sollte. Von Dshuban Kasbekowitsch kam der Vorschlag, den Häftling Taschbai Valerianowitsch Aidarow zu nehmen. Block VII. Er sei jung, schlank, habe eine gute Stimme und könne tanzen.
    »Und ist heiß wie ein Bügeleisen!« sagte Polewoi , als Abukow ihm den Vorschlag nannte. »Kann's anders sein, wenn Owanessjan ihn vorschlägt? Ein Kirgise ist er. Zehn Jahre Strafe bekam er wegen Falschbuchungen in einer Sowchose für Schafzucht. Soll Tausende von Fellen verschoben haben.« Polewoi nickte. »Vom Typ her könnte er den Danilo singen. Ein intelligentes Kerlchen – aber ein Mohammedaner! Ihm fiele sofort unser Gottesdienst auf der Bühne auf.«
    »Wir werden Mustai mit ihm sprechen lassen«, schlug Abukow vor. »Wo ist Aidarow eingesetzt?«
    »Bei den Holzfällern, glaube ich. Um in den Innendienst zu kommen, wird er alles tun.«
    »Er wird für Unsicherheit sorgen«, sagte Polewoi nachdenklich. »Erklären müßte man ihm, daß noch niemand einen Sturz in den Latrinengraben überlebt hat – ein schrecklicher Unfall! Bisher sind drei Verräter in der Kloake ertrunken.«
    Abukow preßte die Lippen zusammen, sah den weißhaarigen Professor der Kybernetik betroffen an und ging davon. Schwer war es, sich an diese eigenen Gesetze des Lagers zu gewöhnen. Nie werde ich das können, dachte er. Nie! Mein Gott, was kann aus Menschen in Not werden.
    Am Sonntagmorgen fuhr wieder der Lastwagen mit den Frauen ins Lager 451/1. Vorweg Oberst Kabulbekow in seinem offenen Jeep, der aus den amerikanischen Hilfslieferungen für den Großen Vaterländischen Krieg stammte und immer noch das gröbste Gelände bezwang, als sei der Motor unsterblich.
    Rassim hatte sein hartes Training abgeschlossen und fühlte sich in der Kraft, einen Bullen mit der bloßen Faust zu erschlagen. Am Samstagabend hatte er vier Steaks gegessen, überbraten mit zehn Eiern, dazu Salat mit viel Sahne und vor dem Einschlafen noch ein Pfund geschabtes

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