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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rohes Fleisch, das ihm Nina Pawlowna herüberbrachte.
    Am Sonntag erschien auch Bataschew , küßte den überraschten Gribow auf die breite Stirn und sagte zufrieden: »Lew Konstantinowitsch , versprich mir – zum Mittagessen bekomme ich ein halbes Rind!« Dann dehnte er sich, ließ seine Muskeln knacken und ging zurück zu Axinja Iwanowna , die im Wohnzimmer saß in ihrem kurzen blauen Kleidchen aus gefärbten Bettlaken und durchaus nicht so aussah, als habe sie tage- und nächtelang ein Mammut auf sich getragen.
    Gribow rannte sofort zu Mustai : » Bataschew ist wieder da!« schrie er. »Gewaltiger als vorher. Ein wahres Wunder ist dieser Mensch. Bei diesem Weibsstück müßte ich jetzt künstlich ernährt werden. An einen Tropf müßte ich. Unbegreiflich, wie er das geschafft hat!«
    Abukow ließ es sich nicht nehmen, Bataschew zu besuchen. Er fand ihn in der Küche von Gribow , wo er sich gerade eine Pfanne voll Eiern braten wollte. Neben ihm stand Axinja wie eine brave Hausfrau, schnitt Brot ab und kochte einen starken Kaffee.
    »Nur wegen der Möbel ist es«, sagte Bataschew , als Abukow ihm winkte und dann allein mit ihm im Wohnzimmer war. »Victor Juwanowitsch , gegen zwei Uhr mittags gehören sie endgültig uns. Versprechen kann ich das.«
    »Ich verstehe überhaupt nichts«, sagte Abukow und setzte sich auf Gribows Sofa.
    »Das ist schnell erklärt. Rassim will die Möbel beschlagnahmen, wenn ich heute den zweiten Boxkampf mit ihm verliere. Ist doch der größte Halunke unter der Sonne, der liebe Rassul Sulejmanowitsch . Schiebt mir Axinja ins Bett, um mir die Kraft wegzubürsten. Aber was tut das süße Mädchen? Erzählt mir alles, ich tröste sie mit Maßen – und dann habe ich drei Tage lang gefressen und trainiert, daß die Funken stoben. In bester Form bin ich! Wenn man mich jetzt nach Amerika ließe – ich fege alle Ringe leer! Mein lieber Freund, unser Theater tastet keiner an, auch Rassim nicht!« Er drückte Abukow an sich, ging in die Küche und kümmerte sich wieder um seine Pfanne. Dabei sang er, und es hörte sich an, als brülle eine Herde Rinder.
    Abukow ging sehr zufrieden aus Gribows Wohnung weg. Draußen traf er Mustai und Gribow , die auf ihn warteten.
    »Nun?« rief Gribow und wühlte in seinem Haar. »Was ist zu berichten?«
    »Es wird ein schöner Tag werden, dieser Sonntag«, sagte Abukow und lächelte. »Ein sehr schöner Tag, liebe Freunde …«
    Eine halbe Stunde später fanden sich alle auf der Bühne ein, die bei der ›Lustigen Witwe‹ mitwirken sollten. Kabulbekow hatte Rassim und Abukow überrascht: Nicht neunzehn Mädchen des Frauenlagers kletterten aus dem Wagen, sondern dreißig.
    »Die Musikerinnen habe ich auch mitgebracht«, sagte Kabulbekow . »Staunen werden Sie, Victor Juwanowitsch . Ein ganzes Flötenorchester. Haben sich die Instrumente selbst geschnitzt, schon seit Monaten. Haben heimlich im Lager musiziert, und erst jetzt erfahre ich das! Bin ich ein Unmensch? Sofort habe ich mir vorspielen lassen – Abukow , ich gestehe Ihnen als Freund: Mir gluckerte das Wasser in den Augen. Bach haben sie gespielt. Bach! Auf neun selbstgeschnitzten Holzflöten! Das müssen Sie sich anhören.«
    Nun saß Kabulbekow vor der Bühne in der ersten Bankreihe – von den Schreinern waren bisher zwölf Reihen fertiggestellt worden, und jeden Abend schleppten die heimkehrenden Arbeitsbrigaden neue große Holzstücke und Stammstücke an, die in der Schreinerei zerschnitten und verleimt wurden – und sah den Diskussionen um die Rollenverteilung zu. Der Dirigent Nagijew saß mit seiner handgeschriebenen Partitur in einer Ecke, hatte sein ›Orchester‹ um sich versammelt und war begeistert von den neun Flötistinnen, die ihm die zarte Lilit Karapjetjan vorstellte. Auch Taschbai , der den Danilo singen sollte, tänzelte auf der Bühne herum, stieß einige Tenorlaute aus, die seine schöne Stimme bestätigten, aber etwas Niederschmetterndes hatte Abukow von Nagijew erfahren: Taschbai hatte keine Ahnung von Noten. Alles, was er singen konnte, sang er nach Gehör. Man mußte ihm also die gesamte Rolle des Danilo Ton für Ton vorspielen und Takt für Takt eintrichtern. Eine Aufgabe war das – wenn Nagijew nur daran dachte, bekam er eine Gänsehaut. Kabulbekow machte es sich gemütlich. Mustai servierte ihm Limonade, und Gribow kam mit einem Sonntagskuchen von Nina Pawlowna , einem Smetanik (mit Kirschkonfitüre gefüllter Mürbeteig).
    Selbst Jachjajew erschien in der Halle und setzte

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