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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Spaß. Ein wahrer Glücksfall kann er werden. Muskulöser Bursche! Das Gegenteil von Syrbai. Rehkeulchen gegen Rindersaftbraten. Ein kultivierter Mensch lebt nicht von Suppen allein. Dshuban Kasbekowitsch nickte eifrig:
    »Soll das ein Versprechen sein, mein Freund?«
    »Sagen Sie eine Zeit – ich werde kommen.«
    »Nach der Visite um elf?«
    »Ich habe es in mein Herz geritzt, Genosse Arzt.«
    Dshuban seufzte nach innen, umfaßte mit einem liebevollen Blick den sich sehr unbehaglich fühlenden Abukow, ließ den Jeep auf dem Platz stehen und bewegte sich mit tänzelndem Körper zum Hospital. Dort, an der Tür, winkte er zu Abukow zurück, und Victor Juwanowitsch winkte gleichfalls. Dr. Owanessjan war wichtig in der Hierarchie des Lagers – nur wie er sich aus der Situation morgen um elf herausmogeln sollte, das wußte Abukow noch nicht.
    Gerade hatte er den Anbau erreicht, wo Mirmuchsin seine Limonadenherstellung wie ein chemisches Geheimlabor hütete, als ohrenbetäubend die Sirene auf Wachtturm III losheulte. Ein Ton, der in die Knochen schnitt. Sofort blitzten überall weitere Scheinwerfer auf und tauchten das Lager in Tageshelle. Von der Wachbaracke rannten die Einsatzbereitschaften zum Tor. Zwei Offiziere stürzten auf den Platz, ihnen folgte Oberstleutnant Rassim, seine Uniformjacke noch zuknöpfend. Auch im Hospital wurde es lebendig.
    Alarm im Lager! Wann war das zum letztenmal gewesen? Kaum erinnern konnte man sich daran. Bei Rassim gab es grundsätzlich keinen Alarm; er sorgte dafür, daß seine Häftlinge keine außergewöhnlichen Situationen herbeiführten.
    Der Lärm ebbte schnell ab. Nur am Tor gab es viel Aufregung, Abukow hörte Rassims Brüllen, dann erloschen die meisten Scheinwerfer rund um das Lager. Allein der innere Bereich blieb blendend erhellt.
    Mit klopfendem Herzen sah Abukow, wie vier Soldaten in einer Zeltplane einen durchhängenden Gegenstand hinüber zum Hospital schleppten, und es bedurfte keiner Phantasie, um zu erkennen: Dort bringen sie einen Menschen weg!
    Abukow zögerte, dann entschloß er sich, aus den Schatten hinauszutreten und den Neugierigen zu spielen. Bewußt kreuzte er Rassims Weg und erwartete seinen Schrei:
    »Halt! Stehenbleiben!« Und dann: »Was streichst du noch hier herum, du Staatsschauspieler?«
    »Bei dem Genossen Jachjajew war ich«, sagte Abukow schnell. »Er kann's bestätigen. – Was ist passiert?«
    »Ein Toter!« sagte Rassim und knirschte vor Wut. »Der Scheinwerfer erwischte ihn plötzlich beim Holzstapel. Ein Mord! Bei mir im Lager ein Mord! Da wird sich jetzt vieles ändern. Und du willst mit der Bande Theater spielen. Da hat jemand diesem Menschen gewaltsam einen Hühnerknochen in die Kehle gepreßt, damit er erstickt! Mein lieber Abukow – das Lager wird jetzt auf dem Kopf stehen, und 1.200 Sträflinge werden gegen den Himmel scheißen!«

5
    Eine unruhige, schlaflose Nacht wurde es.
    Während sämtliche Wachttürme doppelt besetzt wurden, stürmte eine Kompanie der Wachsoldaten in das Lager und stellte sich vor das große Tor. Schwere Maschinengewehre baute man auf. Drei Panzerfahrzeuge ratterten vor den großen Appellplatz jenseits der Palisaden; die langen schlanken Rohre ihrer Kanonen schwenkten zu den wie ausgestorben daliegenden Baracken. Die knappen Kommandos der Offiziere hallten über die Truppen, die Maschinenpistolen wurden entsichert und vor der Brust in Bereitschaft gehalten. Dann gellten die Lagersirenen durch die Nacht und scheuchten die Häftlinge aus ihren Betten.
    Sie hatten es erwartet, auf den Betten hockend oder mit angezogenen Beinen liegend; die Alarmsirene auf dem Wachtturm III hatte sie aufgeschreckt und dann in atemloser Erwartung gehalten. Was war geschehen? Warum Alarm? Die wenigen Stunden Schlaf, einzige Quelle der Kraft, wurden nun auch noch geraubt. Wie eine lautlose, dunkle Flut quollen sie aus ihren Baracken und stellten sich in Blöcken auf. Vor jedem Block stand der Barackenälteste; es war meist einer von den Kriminellen, die innerhalb der Lagerverwaltung das größte Vertrauen genossen – vor allem auch deshalb, weil sie alle politischen Häftlinge als blanke Idioten ansahen. Wer läßt sich schon die Knochen brechen einer anderen politischen Meinung wegen? Wer schuftet sich in Sibirien zu Tode, nur um immer voll Stolz auszurufen: Ich bin dagegen? Ein Hirnverbrannter muß das sein. Dagegen ist ein Raubüberfall etwas Handfestes. Da lohnt sich ein Risiko. Aber Politik? Genossen, laßt uns lachen! Aber Rußland

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